Die Gruppenfreistellungsverordnung für den Kfz-Sektor (kurz: Kfz GVO), die eigentlich zum 31.05.2023 auslaufen sollte, wurde aktuell von der europäischen Kommission für weitere fünf Jahre, also bis zum 31. Mai 2028 verlängert und die Leitlinien hierzu im Hinblick auf fahrzeuggenerierte Daten ergänzt: Die von Fahrzeugsensoren generierte Daten können als wesentlicher Input zur Erbringung von Reparatur-und Wartungsdiensten dienen, so die Erkenntnis der europäischen Kommission. Deshalb sollen nunmehr sowohl autorisierte, als auch unabhängige Werkstätten Zugang zu diesen Daten erhalten. Durch diese Änderung soll den technischen Neuerungen im Hinblick auf die zunehmende Digitalisierung und Elektrifizierung von Fahrzeugen Rechnung getragen, und der freie Wettbewerb weiter ermöglicht werden.
Was ist die GVO?
Die Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) ist Bestandteil des europäischen Wettbewerbsrechts, die für alle Mitgliedstaaten gilt. Wettbewerb bedeutet dabei, dass verschiedene Unternehmen um Kunden und Lieferanten konkurrieren. Der europäische Gesetzgeber möchte den Wettbewerb stärken, indem er grundsätzlich alle wettbewerbsschädlichen Vereinbarungen oder Verhaltensweisen verbietet, sodass nicht einzelne, besonders marktstarke Unternehmen ihre Position ausnutzen, um Wettbewerb zu verhindern. Denn, so die europaweite Erkenntnis, nur ein funktionierender Wettbewerb führt gesamtwirtschaftlich zu guten Ergebnissen für die Marktteilnehmer, also insbesondere für die einzelnen Verbraucher.
Kfz -GVO verhindert Monopolstellung einzelner Hersteller
Die Kfz-GVO und eine Reihe ergänzender Leitlinien hierzu tragen als Rechtsrahmen dazu bei, den Zugang zu Ersatzteilen und technischen Informationen zu gewährleisten, indem wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zwischen Fahrzeugherstellern und ihren zugelassenen Vertragswerkstätten oder Herstellern von Originalersatzteilen verbietet. Es werden wichtige Leitlinien für die Möglichkeit unabhängiger Großhändler, Originalteile bzw. Teile in entsprechender Qualität an zugelassene Werkstätten zu verkaufen aufgezeigt. Weiter sollen wettbewerbswidrige Garantiebedingungen verhindert werden. So wird eine Monopolstellung der Fahrzeughersteller vermieden, dem Verbraucher die Wahlfreiheit gewährt, wo und mit welchen Teilen er sein Fahrzeug reparieren lässt.
Die Zulieferer dürfen daher den gesamten Aftermarket mit ihren Produkten beliefern. Der Fahrzeughersteller darf seine Zulieferer in der Regel nicht an der Direktbelieferung des freien wie gebundenen Aftermarktet behindern.
Die Regelungen eröffnen überdies den Vertragswerkstätten die Möglichkeit, Ersatzteile an freie Werkstätten zu verkaufen. Es ergibt sich hieraus zwar keine Pflicht für den gebundenen Betrieb, an seine Kollegen der freien Serviceschiene zu verkaufen. Der Fahrzeughersteller darf ihm diese Möglichkeit aber nicht untersagen. Wichtig ist dabei allerdings, dass die verkauften Ersatzteile für einen Inspektion-oder Reparaturfall gekauft werden müssen, also nicht zur Einlagerung bestimmt sein dürfen. Dies ist insbesondere für Mehrmarken – Servicebetriebe interessant, denn so erhalten sie Zugriff für alle (auch Monopol-) Teile der Fahrzeughersteller.
Ein weiteres wichtiges Thema des After Market ist die Frage für den Verbraucher: „Darf ich mein Fahrzeug in der Gewährleistungszeit in einem freien Servicebetrieb warten lassen?“. Auch dies regelt die GVO: Gewährleistungsansprüche dürfen nicht an die Wartung durch ein bestimmtes Netz oder die Verwendung bestimmter Teile geknüpft werden. In den Leitlinien wird klargestellt, der Hersteller ist dazu verpflichtet, dem Markt den Zugang zu den Reparatur-und Wartungsinformationen, d. h. etwa Schulungen, Werkzeuge, technische Informationen der Hersteller zu gewähren. Was erweiterte Garantiezusagen anbelangt, so werden diese von der europäischen Kommission kritisch betrachtet. Kurz zusammengefasst gilt insoweit: „Wenn der Kunde die Arbeiten bezahlt, kann er die Werkstatt auswählen.“
Neu: Zugang zu von Fahrzeugsensoren generierten Daten
Die bestehenden Grundsätze für die Bereitstellung von technischen Informationen, Werkzeugen und Schulungen, die für die Reparatur-und Wartungsdienst erforderlich sind, wurden nunmehr ausdrücklich auch auf fahrzeuggenerierte Daten ausgeweitet. Sowohl freien als auch autorisierten Werkstätten soll der Zugriff hierauf nun ausdrücklich ermöglicht werden. Soweit die Vorenthaltung von Input mit Sicherheitsgründen begründet werden soll, ist dies allenfalls in engen Grenzen unter Zugrundelegung einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung möglich.
Fazit
Das Recht auf Reparaturfreiheit und der damit erforderliche Zugriff auf die entsprechenden Informationen ist vor allem für kleine und mittelständische Familienbetriebe von entscheidender Bedeutung. Betroffen sind hierbei vor allem die freien Werkstätten, aber auch die markengebundenen Häuser sind hiervon nicht ausgenommen. Denn auch diese müssen Fahrzeuge einer anderen Marke reparieren und auf die hierfür erforderlichen Informationen zugreifen können, wenn sie zum Beispiel ein Gebrauchtwagen ankaufen oder ihnen im schlimmsten Fall der Automobilkonzern den Händlervertrag kündigt. Mit der nun vorgenommenen Erweiterung der Leitlinien, wird dem Umstand gerecht, dass sich die Kfz-Branche, angesichts des wachsenden Elektromobilitätsmarktes und der zunehmenden Digitalisierung von Fahrzeugen, in einem ökologischen und digitalen Wandel befindet. Durch die Erweiterung der Leitlinien wird nunmehr dem zunehmend wichtigen Thema fahrzeuggenerierte Daten entsprechend Rechnung getragen.
Autorin: Rechtsanwältin Julia Kühnle