In welchen Fällen muss der Arbeitgeber nach der aktuellen arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung eigentlich was bezahlen?
1. Fall:
Im Arbeitsvertrag eines Arbeitnehmers ist folgende Klausel enthalten:
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind von beiden Parteien binnen 3 Monaten ab Fälligkeit schriftlich gegenüber der anderen Partei geltend zu machen, andernfalls sind sie verfallen.“.
Das Bundesarbeitsgericht hat dazu jüngst entschieden, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich trotzdem einen Anspruch auf Überstunden hat, da nach der Abgeltungsklausel nicht eindeutig ist, wie viele Überstunden abgegolten sein sollen.
Dies setzt allerdings voraus, dass er die Überstunden innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit geltend macht (BAG v. 16.05.2012, 5 AZR 331/11).
Beachtenswert und wichtig zu wissen ist hierbei auch, dass der Arbeitnehmer aber in jedem Fall Anspruch auf die Sozialversicherungsabgaben aus den (nachgewiesenen) Überstunden hat, auch wenn er auf die Überstunden als solche wegen der Abgeltungsklausel keinen Anspruch mehr hat. Dies beruht auf dem sog. Entstehungsprinzip (§ 22 SGB IV).
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Geld für Arbeit – Überstunden, Provisionen, Mindestlohn
2. Fall:
Ein Arbeitnehmer erhält laut Arbeitsvertrag eine Festvergütung von € 2.200,00 brutto bei einer 40-Stunden-Woche. Im Arbeitsvertrag ist weiter ausdrücklich geregelt, dass 20 Überstunden pro Monat mit dem Festgehalt abgegolten sind.
Das Bundesarbeitsgericht hat diese Klausel zu Gunsten des Arbeitgebers für wirksam beurteilt, da sie „weder für intransparent, überraschend noch sittenwidrig“ sei.
Damit hat der Arbeitnehmer trotz 20 Überstunden pro Monat also keinen Anspruch auf Überstundenvergütung bei einer derart vereinbarten Arbeitsvertragsklausel (BAG v. 16.05.2012, 5 AZR 331/11).
3. Fall:
Ein Arbeitnehmer einer Vermittlungsagentur hat im Arbeitsvertrag eine 40-Stunden-Woche vereinbart.
Laut Vertrag erhält er als Entlohnung „mtl. 2.200,00 € brutto, sowie 10 % Provision auf von ihm vereinnahmte Vermittlungsprovisionen“. Weiter ist vereinbart, dass „Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind“.
Gleichzeitig hält das BAG aber fest, dass „bei Gewährung von Erfolgsprovisionen nicht automatisch eine Überstundenvergütung vom Arbeitnehmer erwartet werden kann“
(BAG v. 27.06.2012, 5 AZR 530/11).
4. Fall:
Der Arbeitnehmer erhält eine Festvergütung von € 3.500,00 brutto. Im Arbeitsvertrag ist ein sog. Freiwilligkeitsvorbehalt enthalten, wonach „sonstige Leistungen“ des Arbeitgebers „freiwillig und jederzeit widerruflich“ sein sollen. Der Arbeitnehmer hatte jedes Jahr ein 13. Gehalt erhalten, das der Arbeitgeber nun nicht mehr zahlen wollte.
Ein solcher vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst, benachteiligt den Arbeitnehmer regelmäßig unangemessen und ist deshalb unwirksam. Vor allem die Kombination aus Freiwilligkeits- und Widerrufsklausel macht diese intransparent (BAG v. 14.09.2011, 7 Sa 1881/09).
In der Praxis entsteht oft allein deswegen Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, da eine (oder gar beide Vertragsparteien) nicht genau weiß (wissen), was eigentlich vereinbart ist oder ob das Vereinbarte – in Bezug auf die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung - wirklich gilt.
Wer hier nur mit Halbwissen agiert, schädigt einerseits das grundsätzlich von Vertrauen geprägte Arbeitsverhältnis nachhaltig, obwohl dies nicht passieren müsste und sollte, und zum anderen besteht im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung ein erhöhtes Prozessrisikos bis hin zum Risiko des völligen Prozessverlust. Weit vor einer Eskalation sollte daher ein erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht konsultiert werden.
Quelle: Veröffentlichung in der Fachzeitschrift „St. Lukas“ in Bayern vom 23.06.2013