In einem unserer letzten Artikel hatten wir über die aktuelle Rechtsprechung in Sachen Entwendung des Fahrzeuges im Rahmen einer Probefahrt mit dem Vorführwagen informiert (vgl.https://www.jus-kanzlei.de/unterschaetzte-gefahr-probefahrt/)
Ein ebenso gewichtiges und von Autohäusern häufig unterschätztes Problem verbirgt sich auch rund um die Thematik bei der Beschädigung von Mietfahrzeugen. So erleben wir in unserer Beratungspraxis immer wieder folgende, unter 1.) dargestellte Fallgestaltung. Darüber hinaus möchten wir Sie unter 2.) auf unser beliebtes Onlineseminar „Rechtssicherheit im Werkstattgeschäft“ im Januar / Februar 2021 aufmerksam machen.
1.) Beschädigung von Mietfahrzeugen
Variante a): Streit um Haftung bei grober Fahrlässigkeit
Ein Kunde erhält in einem Autohaus einen Mietwagen und bringt diesen nach einem selbst verursachten Verkehrsunfall (z.B.: überfahren einer „roten“ Ampel im Kreuzungsbereich) schwer beschädigt zurück. Im Rahmen des Mietwagenvertrages wurde eine grundsätzliche Haftungsfreistellung für selbstverursachte Unfälle gegen eine Selbstbeteiligung von z.B. 500,00 € vereinbart. Die etwaige Klausel im Mietvertrag lautet sodann gerne wie folgt:
„Dem Mieter steht es frei, die Haftung aus Unfällen für Schäden der Vermieterin durch Zahlung eines besonderen Entgeltes auszuschließen = vertragliche Haftungsfreistellung. In diesen Fällen haftet er für Schäden, abgesehen von der vereinbarten Selbstbeteiligung nur dann, wenn […] er den Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit verursacht hat.“
Das Autohaus vertritt die Ansicht angesichts des durch den Kunden grob fahrlässigen verursachten Unfall hafte dieser Kunde hier , gemäß der eigens getroffenen vertraglichen Regelung, voll. Der Mieter hingegen vertritt die Ansicht, er habe allenfalls die vereinbarte Selbstbeteiligung zu tragen.
Mit Urteil vom 15.07.2014 stellte der Bundesgerichtshof (Az VI ZR 46/10) aber fest, dass eine solche Mietvertragsklausel unwirksam ist, da sie von „dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung“ im Sinn des § 307 I S.1, II Nr. 1BGB abweicht: Denn hätte der Mieter den Schaden mit dem eigenen, vollkaskoversicherten Wagen verursacht, so würde der Vollkaskoschutz auch bei einem eigen verursachten Schaden grundsätzlich greifen.
Daher dürfe der Mieter davon ausgehen, so die Richter, wie ein Versicherungsnehmer darauf vertrauen, dass die Reichweite der mietvertraglich getroffenen Regelung im Wesentlichen auch dem Schutz entspricht, welchen ihm eine entsprechende Fahrzeugvollversicherung böte. Unter Umständen haftet der Kunde hier jedoch dennoch zumindest anteilsmäßig. Da hier eine unzulässige Regelung getroffen wurde, kommt zumindest die entsprechende gesetzliche Regelung, und somit der Leitgedanke des § 81 II Versicherungsvertragsgesetz (= VVG) zur Anwendung.
So wie der Versicherer gemäß § 81 II VVG berechtigt ist, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen, wenn der Versicherungsfall durch den Versicherungsnehmer grob fahrlässig herbeiführt, ist eine solche Regelung auch im Rahmen eines entsprechenden Mietvertrages grundsätzlich möglich.
Eine vollständige Haftungsfreistellung erfolgt aber, in Anlehnung an § 81 VVG nicht. Dies führte im vorliegenden Fall zumindest dazu, dass der Schaden in Höhe von 50 % (das Gericht ging von einer nur mittleren Fahrlässigkeit aus, da nicht nachgewiesen werden konnte, ob der Kunde die Lichtzeichenanlage rechtzeitig erkennen hätte können) nach jahrelangem Rechtsstreit (drei Gerichtsinstanzen), vom Kunden ersetzt werden musste.
Variante b): Höhe der vereinbarten Selbstbeteiligung
Eine weiter in der Rechtsberatung oft gesehene Variante ist die Folgende: Das Autohaus selbst hat im Rahmen des eigenen Vollkaskoversicherungsvertrages für das Mietfahrzeug eine deutlich geringere Selbstbeteiligung, z. B. In Höhe von nur 350,00 €, mit dem Vollkaskoversicherer vereinbart.
Um dem Kunden zu einem besonders sorgsamen Umgang mit dem fremden Eigentum zu „nötigen“, wird mit im Rahmen des Mietvertrages jedoch eine deutlich höhere Selbstbeteiligung (gerne im vierstelligen Bereich) mit dem Kunden vereinbart. Ziel einer solchen Regelung soll sein, dem Kunden vor Augen zu führen, dass er mit dem Fahrzeug ganz besonders sorgfältig umgehen sollte, um im Falle eines Schadens nicht auf einem hohen Eigenanteil „sitzen zu bleiben“. Nicht selten besteht nun im Fall einer kundenverursachten Beschädigung des Fahrzeuges Streit darüber, ob und ggf. in welcher Höhe der Kunde nun eintrittspflichtig ist.
Zwar ist es grundsätzlich möglich, gegenüber dem Kunden eine höhere Selbstbeteiligung zu vereinbaren, insbesondere um von dem „psychologischen Effekt“ des hohen Eigenanteils zu profitieren, allerdings kommt es auch hier – wie so oft in der Juristerei – auf die genaue Formulierung einer solchen Klausel an. Die Praxis zeigt, dass viele Verträge hier unwirksame Klauseln vorsehen.
Um diese Fallstricke in Sachen Formulierung von Mietvertragsklauseln zu vermeiden, sollte daher nicht auf Standardformulierung zurückgegriffen werden. Unter Umständen müssen so im Zweifelsfall jahrelange Prozesse über mehrere Instanzen hinweg geführt werden, deren Ausgang mitunter ungewiss ist. Es empfiehlt sich daher, eine „maßgeschneiderte“ Vereinbarung für den eigenen Betrieb entwerfen zu lassen.
2.) Onlineseminar
Dies und weitere Themen rund um den Bereich „Rechtssicherheit im Werkstattgeschäft“ – wollen wir auch im Rahmen unseres Onlineworkshops besprechen:
- Modul I am Di, 19.01.2021: Werkstattauftrag, Auftragserweiterung und Co.
- Modul II am Mi, 27.01.2021: Kostenvoranschläge, Beratungspflichten und Einbehaltung des Kundenfahrzeugs
- Modul III am Mi, 03.02.2021: Reklamationsmanagement in der Werkstatt - Sachmängelhaftung, Garantie und Kulanz
- Modul IV am Mo, 08.02.2021: Unfallschadenmanagement – eigene Haftung vermeiden, Werkstattrechnungen optimieren
Beginn: jeweils 10:00 Uhr
Dauer: ca. 2,5 h (zzgl. 15 Min Pause)
Die Module sind jeweils einzeln oder auch im Paket buchbar. Weitere Einzelheiten sowie die konkreten Inhalte finden Sie auf unserer Homepage unter „Aktuelle Veranstaltungen“ zu entnehmen.
Zur Anmeldung nutzen Sie gerne das ebenfalls dort vorhandene Anmeldeformular. Wir bitten Sie dieses ausgefüllt ausschließlich an folgende E-Mail-Adresse zu senden: aouji@jus-kanzlei.de.
Bei offenen Fragen rund um das Thema „Automobil -& Verkehr“ stehen wir Ihnen kurzfristig gerne zur Verfügung: Team Verkehrsrecht JuS Rechtsanwälte Schloms und Partner Ulrichsplatz 12, 86150 Augsburg www.jus-kanzlei.de Tel.: 0821/34660-17 Fax: 0821/34660-81 Email: kuehnle@jus-kanzlei.de
Weitere Informationen zu den Regelungen zur COVID-19-Pandemie finden sie zudem auf unserer Web-Seite www.jus-kanzlei.de.
Die Autorin, Rechtsanwältin Julia Kühnle, Fachanwältin für Verkehrsrecht Augsburg mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Versicherungsrecht