JuS-Rechtsanwältin Anja Jörg: „Ich wollte als Kind schon Richterin werden“
Mit „Richterin“ meinte Anja Jörg als Kind „Werkstattleiterin“. Heute ist sie Anwältin – und seit einigen Monaten gemeinsam mit ihrer Kollegin Julia Kühnle eine der Partnerinnen bei JuS Rechtsanwälte in Augsburg. Im Interview verraten die beiden, welcher Weg sie dorthin geführt hat – und ob sich der Kanzlei-Alltag dadurch geändert hat.
Anja Jörg: Im Grunde war es immer schon mein Ziel, Partnerin zu werden. Ich bin seit 2010 in der Kanzlei. Während meines Studiums tatsächlich auch schon als studentische Hilfskraft. Ich bin quasi von Anfang an in die Kanzlei reingewachsen. Von Beginn an habe ich mich mit dem Schwerpunktthema Arbeitsrecht beschäftigen dürfen.
Wie ging es dann weiter?
Anja Jörg: Damals haben zwei Kollegen die Abteilung für Arbeitsrecht geleitet. Ich bin zwischenzeitlich Mutter von zwei Kindern geworden, war in Elternzeit – aber das Vertrauen der Kanzlei in mich ist nicht weniger geworden. Im Gegenteil! Durch die Verantwortung, die ich trage, konnte ich letztlich auch Partnerin werden. Dieser Schritt ist in unserer Kanzlei übrigens nicht unüblich. Denn viele Partnerinnern und Partner sind Langzeitmitarbeiter. Die meisten Kollegen bleiben auch lang in unserem Haus. Regelmäßig kommen auch neue Anwälte hinzu, sodass wir mit einem gesunden organischen Wachstum arbeiten können.
Und bei Ihnen, Frau Kühnle?
Julia Kühnle: Bei mir ist es tatsächlich ziemlich ähnlich abgelaufen. In meiner Studentenwohnung hatte ich ein Visionboard auf dem gestanden hat: „Ich will Partnerin werden“. Das war auch das große Ziel, als ich mein Jurastudium angetreten habe. Mit diesem Wunsch bin ich in die Uni-Bibliothek und mit diesem Wunsch habe ich meine Staatsexamina angetreten. Auf dem Weg zum Campus lag übrigens auch die Kanzlei JuS. Damals habe ich mir schon gedacht, dass hier mein Platz sein könnte. Die Themenschwerpunkte der Kanzlei haben zu meinen gepasst, die Größe des Teams war mir sympathisch. Umso besser also, dass nach Beendigung meines Studiums eine Stelle ausgeschrieben war. Seither bin ich Teil des Teams – und möchte es auch bleiben. Für mich hat sich also mit der Ernennung zur Partnerin ein Kreis geschlossen, der zum Beginn meines Studiums begonnen hat.
Wie lief aber schlussendlich die Berufung zu Partnerinnen ab?
Anja Jörg: Es war auf jeden Fall keine Entscheidung von heute auf morgen. Wir waren beide zuvor schon Associate Partnerinnen. Das ist die Vorstufe zu Partnerinnen und im Prinzip eine Absichtserklärung der Kanzlei. In dieser Zeit war es unsere Aufgabe, zu beweisen, dass wir wirklich Partnerinnen sein wollen und, dass wir das Zeug dazu haben. In unserer Kanzlei haben wir noch einen aktiven Gründungspartner. Wir sind jetzt quasi die „junge Generation“ im Partnerteam. Das heißt aber nicht, dass unsere Berufung ein Generationenwechsel ist, sondern, dass alle Generationen im Partnerkreis repräsentiert sind.
Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag verändert, jetzt, wo Sie Ihr Ziel erreicht haben?
Julia Kühnle: Ganz grundsätzlich kann man sagen, dass Partnerinnen mehr Verantwortung tragen und mehr Führungskompetenzen an den Tag legen müssen. Allerdings ist dies keine unüberwindbare Herausforderung. Denn mit der Mandatsführung wissen wir ja ohnehin, wie man Verantwortung trägt. Der maßgeblichste Unterschied ist meiner Meinung nach, dass wir nun eben nicht mehr „nur“ die Verantwortung für die Mandanten, sondern auch für unsere Mitarbeiter tragen. Und das von Rechtsanwälten bis hin zu Auszubildenden.
Anja Jörg: Trotzdem gibt es natürlich auch Herausforderungen. Die sind aber allesamt spannend. Stichwort Employer Branding. Zu unseren Aufgaben gehört es jetzt auch, das Team zu motivieren, um ein attraktiver Arbeitgeber zu bleiben. Und da ist es nicht (nur) mit ein paar netten Worten getan. Wir planen zum Beispiel verschiedene Teamevents, die von den Kollegen gut angenommen werden. Aber auch flexibles Arbeiten ist natürlich ein wichtiger Punkt, den wir fokussieren. Ab und an im Home-Office zu arbeiten, ist für uns zum Beispiel eine selbstverständliche Option, um Arbeit und Privates besser in Einklang bringen zu können.
Gibt es auch ein langfristiges Ziel, dass Sie definieren können?
Julia Kühnle: Als langfristiges Ziel ist es an uns, der Verantwortung gerecht zu werden, die uns jetzt übergeben wurde. Die Kanzlei wurde vor 37 Jahren gegründet und seither mit viel Herzblut geführt. Einer der Gründer, Volker Schloms, arbeitet sogar noch immer hier mit uns im Team. Es gilt nun, die Kanzlei mit viel Stabilität zukunftssicher voranzubringen. Wobei das für uns insbesondere im Bereich des Arbeitsrechts bzw. des Versicherungsrechts gilt.
Sie sagten vorhin, dass Sie die „junge Generation“ im Partnerkreis sind. Was sind die wertvollsten Erfahrungen, die Sie von den „alten Hasen“ mitnehmen?
Anja Jörg: Ich denke, es gibt nicht die eine maßgebliche Erfahrung, die man hier nennen kann. Aber eine Stimmung. Volker Schloms spricht gern von „warmen Worten“, die er an sein Team, also auch an uns, richtet. Er hat über die Jahre hinweg die Fähigkeit bewiesen die Kanzlei unter allen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zusammenzuhalten. Gleichzeitig setzt er seit jeher auf Festivitäten und Teamevents. Das stärkt das Wir-Gefühl unter den Kollegen und nimmt alle mit. Diesen Spirit möchten wir ebenfalls mittragen.
Macht es eigentlich einen Unterschied im Alltag, dass der Partnerkreis jetzt verjüngt ist?
Julia Kühnle: Ich glaube jüngere Kollegen finden zu jüngeren Partnern einen leichteren Zugang, wenn es um Probleme im Arbeitsalltag geht. Auch die Tatsache, dass wir nicht von einer fremden Kanzlei berufen wurden, sondern organisch in diese Position hineingewachsen sind ist vorteilhaft. Denn die Kollegen kennen uns beide ja auch schon über viele Jahre hinweg. Insofern trägt auch das dazu bei, dass Zugänge niedrigschwelliger sind.
Nun ist mit Ihnen der Partnerkreis aber nicht nur jünger, sondern auch weiblicher geworden. Haben Sie den Eindruck, dass an Frauen in Ihrer Position andere Anforderungen gestellt werden als an Männer?
Anja Jörg: Diesen Eindruck habe ich ganz und gar nicht. Zumal Studien eindeutig belegen, dass Teams, die diverser aufgestellt sind in der Regel zu besseren Ergebnissen im Arbeitsalltag kommen. Ich bin mir sicher, die Arbeit in unserem Partnerkreis wird das bestätigen.
Vorhin sagten Sie, Frau Kühnle, ein Kreis schließe sich für Sie. Lassen Sie uns zum Abschluss unseres Gesprächs zum Anfang dieses Kreises gehen. Woher kommt Ihre Leidenschaft für die Juristerei?
Julia Kühnle: Ich denke ich kann für uns beide sprechen, wenn ich sage, dass es die Präzision ist, die uns begeistert. Als Jurist arbeiten Sie ganz nah am Wort. In der Schule waren meine Lieblingsfächer Mathematik und Deutsch. Denn mich begeistert die Sprache, aber eben auch das exakte Arbeiten. Beides ist in unserem Beruf gegeben und macht ihn deshalb für uns auch so spannend.
Anja Jörg: Dem stimme ich vollkommen zu. Trotzdem möchte ich Ihnen noch eine kleine Anekdote mitgeben. Als Kind habe ich gerne an Spielsachen herumgeschraubt und meiner Mutter ganz stolz gesagt ich wolle „Richterin“ werden. Das bezog sich natürlich darauf, Gegenstände zu „richten“, sprich zu reparieren. Heute repariere ich zwar nichts und auch Richterin bin ich nicht geworden. Aber mit der Juristerei hat sich diese kindliche Prophezeiung trotzdem beinahe erfüllt!