Im Rahmen unseres heutigen Artikels wollen wir über eine äußerst praxisrelevante Entscheidung des BGH zur Verjährungsverkürzung im Gebrauchtwagenverkauf berichten:
BGH stellt klar: Einjährige Verjährungsfrist für Sachmängel im Gebrauchtwagenverkauf ist (derzeit) wirksam
Mit Urteil vom 18.11.2020 (AZ VIII ZR 78/20) stellte der BGH klar: die Möglichkeit, die das deutsche Gesetz in § 476 II BGB bietet, nämlich die zweijährige gesetzliche Verjährungsfrist von Gebrauchtfahrzeugen gegenüber Verbraucherkunden auf nur ein Jahr zu verkürzen, verstößt zwar gegen Europarecht, ist aber (derzeit) trotzdem möglich.
Im Einzelnen:
Im Gebrauchtwagenhandel ist es heutzutage gang und gäbe die gesetzliche zweijährige Sachmängelhaftung gegenüber Verbrauchern vertraglich auf ein Jahr zu verkürzen (vgl. etwa Nr. VI Gebrauchtwagen-Verkaufsbedingungen des ZDK). Problematisch ist dies jedoch vor dem Hintergrund eines im Jahr 2017 ergangenen EUGH Urteils. Denn seit diesem Urteil steht fest, dass § 476 BGB als gesetzliche Grundlage für diese Verjährungsverkürzung gegen das höherrangige EU-Recht verstößt. Es ist nämlich so, als dass die europäische Gesetzgebung regelmäßig Richtlinien erlässt, die die Mitgliedsstaaten sodann innerhalb ihres nationalen Rechts umsetzen müssen. Hierbei kann es (z. B. aufgrund von Übersetzungsproblemen oder unterschiedlicher Gesetzessystematiken) zu Fehlern in der Umsetzung kommen. Und genau das war hier der Fall. Denn bei Umsetzung dieser Richtlinie wurde im deutschen Recht nicht beachtet, dass europarechtlich zwischen einer sogenannten „Haftungsfrist“ und der „Verjährungsfrist“ zu unterscheiden ist. Das deutsche Recht kennt insoweit nur die „Verjährungsfrist“. Daher ist die gesetzliche Grundlage zu der entsprechenden Verjährungsverkürzung, § 476 BGB, europarechtswidrig. Welche Auswirkung das für die Wirksamkeit der bisher erfolgten Verjährungsverkürzungen hat, war seither höchstrichterlich nicht geklärt.
In nahezu allen derzeit anhängigen Rechtsstreiten wurde und wird daher von Kundenanwälten gerne angeführt, dass eine etwaige vertragliche Verjährungsverkürzung nicht wirksam, weil europarechtswidrig, sei. Das nun ergangene Urteil des BGH lässt daher nun viel Händler aufatmen. Denn der BGH stellte klar, dass die derzeitige Regelung zwar gegen Europarecht verstößt, eine entsprechende vertragliche Vereinbarung zur Verjährungsverkürzung aber gleichwohl wirksam ist: So heißt es in dem Urteil:
„§ 475 Abs. 2 letzter Halbs. BGB aF (= § 476 Abs. 2 letzter Halbs. BGB nF) verstößt gegen die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, […]“
Und weiter:
„Die Vorschrift ist vielmehr bis zu einer gesetzlichen Neuregelung weiterhin anzuwenden. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr in Kaufverträgen über gebrauchte Sachen vorsieht, ist demnach wirksam.“
Trotz Europarechtswidrigkeit können Händler daher - zumindest bis zur erforderlichen Änderung des § 476 II BGB - in ihren Kaufverträgen die Sachmängelhaftung gegenüber Verbrauchern (möglichst unter wirksamer Einbeziehung der ZDK-Gebrauchtwagenverkaufsbedingungen) auf ein Jahr verkürzen. Was nach einer zu erfolgenden Gesetzesreform gilt, heißt es dann abzuwarten.
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Die Autorin, Rechtsanwältin Julia Kühnle, Fachanwältin für Verkehrsrecht Augsburg mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Versicherungsrecht