Auch beim gekündigten Bauvertrag ist die Abnahme durchzuführen!
„Ein fertiger Bau muss abgenommen werden.“ Das ist allgemein bekannt. Dass aber nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung auch ein unfertiger Bau abgenommen werden muss, wenn der Bauvertrag gekündigt wurde, das ist vielen Handwerkern und Bauunternehmern nicht geläufig, wurde aber bereits am 11.05.2006 vom Bundesgerichtshof (VII ZR 146/04) in Abänderung seiner bisherigen Rechtsprechungspraxis so entschieden.
Wird ein Vertrag gekündigt (was in der Praxis leider nicht selten vorkommt), kommt es nach Erfahrung der Baujuristen oft zum Streit zwischen den Parteien. Ursache dafür ist dann häufig die Frage, ob am unfertigen Baukörper Mängel bestehen, für die dann ein Nacherfüllungsrecht des Unternehmers existiert beziehungsweise ein Recht auf zweite Andienung. Baufachleute suchen hier seit langem nach einer praktikablen Lösung, wie unterschieden werden kann zwischen einem Mangel am unfertigen Bau einerseits und Restleistungen andererseits, die aufgrund der Kündigung noch nicht erbracht wurden und nun auch nicht mehr zu erbringen sind.
Als grobe Faustregeln gilt hier:
1
Das zum Zeitpunkt der Kündigung bestehende, unfertige Werk ist mangelfrei, wenn es ohne zusätzliche ungeplante Maßnahmen für die Vollendung des ursprünglich geschuldeten Werkes geeignet ist. Lässt der unfertige Bau insoweit ein „Weitermachen“ zu, so kann die Abnahme berechtigt gefordert werden.
2
Ist dagegen ein teilweiser Rückbau erforderlich, so besteht grundsätzlich auch bei Kündigung die Mangelbeseitigungspflicht des Bauunternehmers, ebenso auch sein Recht auf Nacherfüllung.
Die Abnahme des unfertigen Bauwerks ist u.a. zur korrekten Werklohn-Abrechnung und zur Fälligkeit des Werklohns zwingend notwendig. Mit der Kündigungserklärung wird ein Schnitt gezogen: Die bis dahin erbrachte (mangelfreie) Teilleistung wird in jedem Fall anteilsmäßig am Gesamtwerklohn abgerechnet, also vergütet. Dieser Wert der Arbeit lässt sich in der Praxis aber nur mit einer Begehung und einem (möglichst gemeinsamen) Aufmaß verlässlich ermitteln; in der Baupraxis ist dabei häufig zugleich zur späteren Streitvermeidung anzuraten eine sog. Schnittstellendokumentation durchzuführen. Je nachdem, auf welcher rechtlichen Grundlage der Vertrag (man spricht hier von der sog. „freien“ oder „außerordentlichen“ Kündigung) gekündigt wurde, muss der Auftraggeber eventuell aber auch einen Teil der nicht erbrachten Leistung („entgangener Unternehmer-Gewinn“) bezahlen, zum Beispiel bei der benannten freien Kündigung.
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Auch beim gekündigten Bauvertrag ist die Abnahme durchführen!
Autor: Rechtsanwalt Thomas Schmitt, ist Partner der Kanzlei JuS Rechtsanwälte, Augsburg (www.jus-kanzlei.de). Er ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und Schlichter gemäß der Schiedsordnung Bau (SOBau) des DAV. Er beschäftigt sich über 16 Jahren vornehmlich mit sämtlichen rechtlichen Fragen des Bau-, Architekten- und Immobilienrechts. Zudem ist Herr Rechtsanwalt Schmitt Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltsvereins (ARGE BauR).