Das OLG Frankfurt (Az: 11 U 46/19) hat am 16.06.2020 ein interessantes Urteil zum Haftungsmaßstab von Unterlassungsverpflichtungserklärungen erlassen.
Sachverhalt:
Zunächst war es so gewesen, dass der Beklagte sich im Jahr 2013 Unterlassungsansprüchen eines Berufsfotografen ausgesetzt sah, da er, ohne Nutzungsrechte zu besitzen, Lichtbild(werke) des Fotografen beider Produktwerbung auf eBay verwendet hatte. Der Beklagte gab dann eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung ab, die vom abmahnenden Fotografen auch angenommen wurde. Der Beklagte bat daraufhin eBay, die Fotos zu löschen. Das geschah insofern, als die Fotos nicht mehr über Suchfunktionen bei eBay gefunden werden konnten. Allerdings waren sie auch weiterhin bei Eingabe der ursprünglichen URL in die Browserzeile vorhanden und „sichtbar“. Der Kläger forderte insofern die Zahlung von Vertragsstrafen.
Entscheidungsgründe:
Rechtlich stellte sich die Frage, ob es für den Tatbestand der öffentlichen Zugänglichmachung ausreichend ist, wenn das streitgegenständliche Lichtbildwerk (nur) über Eingabe der URL aufgerufen werden kann. LG und OLG Frankfurt haben dieses verneint: Durch eine fortdauernde Abrufbarkeit (lediglich) bei Eingabe einer ca. 70-stelligen URL werde das Foto nicht „im Internet der Öffentlichkeit zugänglich“ gemacht. Denn das Merkmal der „Öffentlichkeit“ setze nach ständiger Rechtsprechung des EuGH nicht nur eine unbestimmte Zahl möglicher Adressaten - im Unterschied zu einer privaten Gruppe - voraus, sondern auch „recht viele Personen“ (EuGH, Urteil vom 31.5.2016, C-117/15 - Reha Training, Rndr. 41ff.; Urteil vom 15.3.2012, C-135/10 - SCF, Rdnr. 84). Der Begriff „öffentlich“ beinhalte daher eine bestimmte Mindestschwelle und schließe eine allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen aus (EuGH, Urteil vom 26.4.2017; C-527/15, Stichting Brein, Rdnr. 44). Der Bereich der „kleinen Gruppe“ werde aber nicht verlassen, da nur Personen, die die ca. 70 Zeichen umfassende URL kennen, das Foto erreichen können.
Das OLG hat mit seinem Urteil auch einer missbräuchlichen Geltendmachung von Vertragsstrafen einen Riegel vorgeschoben und ausgeführt, dass es sich bei dem Auffinden des Fotos unter der ursprünglichen URL nicht um ein „öffentliches Zugänglichmachen“ im Sinne des § 19a UrHG handelt. Das Urteil bringt etwas Klarheit im Hinblick auf Verwirkung von Vertragsstrafen. Es können alle diejenigen aufatmen, die strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärungen abgegeben haben und die zunächst zu Unrecht öffentlich zugänglich gemachten Lichtbilder zwar aus dem Webauftritt entfernte haben, aber übersehen haben, dass die Fotos möglicherweise durch Eingabe einer URL noch „online“ sind. JuS Rechtsanwälte Schloms und Partner ist schwerpunktmäßig in den Bereichen Wettbewerbsrecht, Urheberrecht, IT- und Markenrecht tätig.
Kontakt:
Sascha Leyendecker
Rechtsanwalt I Partner
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Lehrbeauftragter an der Hochschule Augsburg
Ulrichsplatz 12, 86150 Augsburg
Tel.: 0821/34660-31
Fax : 0821/34660-93
Email: sawazki@jus-kanzlei.de
PDF Download:
Unsere PDF Dateien zum herunterladen