Nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkungen sind gerade im Handelsvertreterbereich gang und gäbe. Umso wichtiger ist es, solche auch rechtlich zulässig zu vereinbaren. Denn schon eine kleine Abweichung von § 90a HGB zum Nachteil des Handelsvertreters kann die Wettbewerbsabrede unwirksam machen. Anhand der aktuellen Entscheidung des BGH vom 3.12.2015 – VII ZR 100/15 sollen die zivil- und kartellrechtlichen Grenzen nochmals deutlich aufgezeigt werd1.
1. Der konkrete Fall
Der BGH erklärte folgende Klausel in einem Handelsvertretervertrag, die von einem Unternehmen als AGB gestellt wurde, wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gem. § 307 Absatz 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 BGB für unwirksam: „Der Vermögensberater verpflichtet sich, es für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses zu unterlassen, der Gesellschaft Kunden abzuwerben oder dies auch nur zu versuchen“.
Generell muss man unterscheiden, ob die nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkung innerhalb des Handelsvertretervertrages durch AGB oder im Rahmen eines Individualvertrages vereinbart wurde.
2. Vereinbarung durch AGB: Unwirksamkeit aufgrund der AGB-Inhaltskontrolle
§ 307 Absatz 2 BGB besagt, dass eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen ist, wenn eine Bestimmung mit dem Grundgedanken der abweichenden gesetzlichen Regelung – hier § 90a HGB – nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche aus der Natur des Vertrags resultierenden Rechte und Pflichten so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wird. Schon eine kleine Abweichung von §90a HGB zum Nachteil des Handelsvertreters verstößt in der Regel gegen § 307 BGB.
So ist eine solche nachteilige Abweichung z.B. gegeben, wenn die Reichweite des Abwerbeverbots hinsichtlich des Kundenkreises und des sachlichen Gegenstandes des Wettbewerbsverbots – wie in der vorliegenden Klausel – unklar bestimmt ist. Hier werden für den Verwender nicht hinnehmbare Beurteilungsspielräume eröffnet. Diese Abweichung ist somit mit dem Grundgedanken des § 90a Absatz 1 Satz 2 HGB nicht zu vereinbaren und gefährdet den Vertragszweck der Erkennbarkeit bzw. Rechtssicherheit hinsichtlich der Reichweite eines Wettbewerbsverbotes. Es läge eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Absatz 1 Satz 1 i.V.m. § 307 Absatz 2 Nr. 1, 2 BGB sowie ein Verstoß gegen das Transparenzgebots § 307 Absatz 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 BGB vor.
Auch eine fehlende Karenzentschädigung stellt eine unangemessene Benachteiligung des Handelsvertreters gem. § 307 Absatz 1 Satz 1 i.V.m. § 307 Absatz 2 Nr. 1, 2 BGB dar. Wird sie nicht einmal erwähnt oder sogar ausgeschlossen, läuft das dem Grundgedanken des § 90a Absatz 1 Satz 3 HGB zuwider, der die monetäre Kompensation des Vertragspartners für die fehlende Möglichkeit vorsieht, während des Geltungszeitraums seiner beruflichen Tätigkeit nachgehen zu können. Versagt man diese, steht der Handelsvertreter für die Zeit des Wettbewerbsverbots ohne Ausgleich da. Zweck der Regelung ist es aber, dass die Marktstellung der Gesellschaft im Gegenzug für die Entschädigung des Handelsvertreters zu erhalten bleiben soll.
3. Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot § 134 BGB
Ist die Vereinbarung individualvertraglich ausgehandelt worden, gelten die Maßstäbe der §§ 305 ff. BGB nicht. An den folgenden Maßstäben des § 134 BGB (und des § 138 BGB s. u.) muss sich die Vereinbarung aber – egal ob individualvertraglich oder durch AGB geschlossen – messen lassen.
a. Handelsrecht
Eine Klausel, wie sie oben formuliert ist, kann auch gegen das gesetzliche Verbot des § 90a Absatz 4 HGB verstoßen und damit nichtig sein. Gem. § 90a Absatz 4 HGB dürfen keine abweichenden, für den Handelsvertreter nachteiligen Vereinbarungen getroffen werden. Vorliegend ist weder eine Karenzentschädigung vorgesehen, noch kann festgestellt werden, ob die Anforderungen von § 90a Absatz 1 Satz 2 HGB erfüllt sind. Beides ist zum Nachteil des Handelsvertreters und verstößt damit gegen das Verbotsgesetz des § 90a Absatz 4 HGB. Die Klausel ist nach § 134 BGB i.V.m. § 90 IV HGB nichtig.
b. Kartellrecht
Bereits die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots als solche verstößt gegen das Kartellverbot nach § 1 GWB. Allerdings kann ein Handelsvertretervertrag als kartellrechtsneutraler Vertrag gesehen werden. In einem solchen Fall ist ein Wettbewerbsverbot als immanenter Bestandteil zulässig. Anerkannt ist dies z.B. bei Unternehmensveräußerungen. Eine Übertragung der Grundsätze scheint angesichts der vergleichbaren Interessenlage auch gerechtfertigt. Bei einer Unternehmensveräußerung muss es dem Erwerber möglich sein, den kartellrechtlich neutralen Zweck – die Übernahme der Marktstellung des Veräußerers z.B. durch die Fortsetzung von Beziehungen zu Kunden, Beschäftigten etc. – zu erreichen. Das kann durch ein befristetes Wettbewerbsverbot ermöglicht werden. Unterliegt der Handelsvertreter nun nach seinem Ausscheiden keinem Abwerbeverbot, besteht die Gefahr, dass er z.B. Kunden abwirbt.
Solche Einschränkungen sind aber nur dann gerechtfertigt, wenn sie nicht über das nach dem gesetzlichen Leitbild des Handelsvertreterverhältnisses und für dessen Funktionsfähigkeit notwendige Mindestmaß hinausgehen. Da aber die Grenzen des § 90a HGB nicht eingehalten wurden, ist das Abwerbeverbot gerade kein notwendiger Bestandteil des ansonsten kartellrechtlich neutralen Handelsvertretervertrags. Eine Freistellung nach der Gruppenfreistellungsverordnung oder im Rahmen einer Legalausnahme nach § 2 Absatz 1 GWB ist ebenfalls nicht ersichtlich. Daher wäre eine solche Vereinbarung wie die obige auch nach § 134 BGB i.V.m. § 1 GWB als nichtig zu bewerten.
4. Sittenwidrigkeit § 138 I BGB
§ 90a HGB regelt die Zulässigkeit von Wettbewerbsabreden der Handelsvertreter besonders. Der Rückgriff auf § 138 BGB hinsichtlich der Zulässigkeit und Durchsetzung solcher Wettbewerbsabreden ist daher nur noch außerhalb des Anwendungsbereich des § 90a HGB (z.B. wenn die Vereinbarung erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geschlossen wurde) oder zu Korrekturen im Einzelfall möglich.
5. Folgen einer unwirksamen / nichtigen Vereinbarung
a. Geltungserhaltende Reduktion?
Eine solche Rückführung der unwirksamen Klausel auf eine gerade noch zulässige Regelung ist allenfalls für Individualvereinbarungen möglich, da hier beide Vertragspartner an der Ausgestaltung beteiligt sind und Einfluss nehmen könnten. Bei der Verwendung von AGB greift das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion.
b. Lückenfüllung mittels gesetzlicher Vorschriften?
Ist das Wettbewerbsverbot als Bestandteil des individuell ausgehandelten Handelsvertretervertrags nichtig, wäre nach § 139 BGB der ganze Vertrag nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass er auch ohne die nichtige Vereinbarung geschlossen worden wäre. Das ist jedoch aufgrund des laufenden Handelsvertreterverhältnisses während der Vertragslaufzeit nicht zu erkennen. Oft enthalten derartige Verträge zusätzlich eine salvatorische Klausel, die zusätzlich zum Ausdruck bringt, dass der Vertrag im Übrigen gelten soll. Das entspricht AGB-rechtlich der Bestimmung des § 306 Absatz 1 BGB, wonach eine Teilnichtigkeit des Vertrags eintritt. Nun richtet sich gem. § 306 Absatz 2 BGB der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften, hier § 90a HGB. Würde man allerdings die Vorgaben des § 90a HGB verwenden, käme das einer Umgehung des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion gleich.
§ 90a HGB statuiert nur die Grenzen für nachvertragliche Wettbewerbsverbote, die in diesem Rahmen (wirksam) vereinbart wurden. Befinden sich diese Vereinbarungen außerhalb der gesetzlichen Regelungen, wird der Handelsvertreter vollständig vom Wettbewerbsverbot befreit, da gerade keine wirksame Vereinbarung besteht.
c. Lückenfüllung durch ergänzende Vertragsauslegung?
Da § 90a HGB als gesetzliche Regelung nicht zur Schließung der Lücke herangezogen werden kann, könnten die §§ 133, 157, 242 BGB eine Möglichkeit der Lückenfüllung bilden. Doch diese sind nur anwendbar, sofern es keine geeignete gesetzliche Regelung gibt. Eine solche ist aber in § 90a HGB gerade zu sehen. Kann kein hypothetischer Parteiwille ermittelt werden und kommen unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht wie in der vorliegenden Klausel, kann die Lücke auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gefüllt werden.
5. Fazit
Aufgrund der praktischen Relevanz ist es daher wichtig, ein rechtlich wirksames Wettbewerbsverbot für Handelsvertreter zu vereinbaren. Denn schon eine kleine Abweichung von § 90a HGB zum Nachteil des Handelsvertreters kann die Wettbewerbsabrede insgesamt unwirksam machen. Und ist sie erst unwirksam, fällt sie ersatzlos weg. Dann gelten nur die Grenzen der Verwertung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gem. § 90 HGB bzw. § 17 Absatz 2 UWG.
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Autor: Rechtsanwalt Sascha Leyendecker ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und Gewerblichen Rechtsschutz in der Kanzlei JuS in Augsburg. Er ist Mitglied in der Deutsch-Schweizerische Juristenvereinigung e.V.