Bauherr und Architekt haben meist die volle Verantwortung für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften, wenn es um den Hausbau geht.
Stellen Sie sich folgende Situation vor: Der Bauherr hat sich endlich den Traum vom eigenen Haus erfüllt. Das gönnt ihm der Nachbar nicht und schwärzt ihn beim Bauamt an. Bei einer Ortsbesichtigung durch die Behörde wird festgestellt, dass Abstandsflächen oder die Anforderungen an den Brandschutz nicht eingehalten wurden. Das Bauamt erlässt eine (teilweise) Baubeseitigungsverfügung oder verlangt nachträgliche Maßnahmen zur Herstellung des Brandschutzes. Ein Fall wie dieser dürfte wohl der Albtraum eines jeden Bauherrn und seines Architekten sein.
Bauherren und Architekten meinen oft, so etwas könnte nicht passieren. Der Architekt als Fachmann hat die Baupläne und Bauunterlagen erstellt. Diese wurden der Stadt beziehungsweise dem Landratsamt vorgelegt. Von dort gab es keine Beanstandungen. Dann ist doch alles in bester Ordnung, oder? Dieser Schein trügt.
Dass keine Einwände von der Behörde gegen die eingereichten Bauunterlagen erhoben werden, schützt den Bauherrn und Architekten nicht. Nur in Ausnahmefällen gibt es beim Bau eines Wohnhauses eine umfangreiche Prüfungspflicht der Behörden. In den meisten Fällen hat die Behörde überhaupt keine Prüfungspflicht, ob das Vorhaben den Festsetzungen eines vorhandenen Bebauungsplans entspricht.
Hausbau - Geprüft wird in der Regel nicht
Oft wird überhaupt keine Baugenehmigung erteilt. Dies ist beim Genehmigungs-freistellungsverfahren der Fall. Das findet Anwendung, wenn ein sogenannter qualifizierter Bebauungsplan vorliegt. Bebauungspläne sind qualifiziert, wenn sie Festsetzungen zu Art und Maß der baulichen Nutzung, zu überbaubaren Grundstücksflächen und örtlichen Verkehrsflächen haben.
Art der baulichen Nutzung ist etwa die Festsetzung eines reinen Wohngebiets. Beim Maß der baulichen Nutzung geht es zum Beispiel um die Zahl der Vollgeschosse, die Höhe der baulichen Anlagen oder die Festsetzung, wie viele Quadratmeter des Grundstücks bebaut werden dürfen. Beim Freistellungsverfahren muss der Bauherr nur bestimmte Bauunterlagen einreichen. Nach Ablauf eines Monats kann er mit dem Bauen beginnen. Eine Prüfung durch die Behörde erfolgt hier meist nicht.
Wenn kein qualifizierter Bebauungsplan vorhanden ist, wird das vereinfachte Baugenehmigungs- verfahren durchgeführt. Die Behörde erteilt zwar eine Baugenehmigung. Aber die Behörde prüft nicht, ob das Bauvorhaben mit allen öffentlichrechtlichen Bauvorschriften übereinstimmt. Die Behörde hat eine eingeschränkte Prüfungspflicht. Insbesondere werden die Anforderungen des sogenannten Bausicherheitsrechts nicht geprüft. Hierbei handelt es sich beispielsweise um die Regelungen zu Abstandsflächen oder Brandschutz.
Bauherr und Architekt tragen die überwiegende, meist sogar die volle Verantwortung dafür, dass das Bauvorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorgaben entspricht. Stellt sich später heraus, dass etwa Abstandsflächen oder die Anforderungen an den Brandschutz nicht eingehalten wurden, kann die Behörde die (teilweise) Baubeseitigung oder die Durchführung von nachträglichen Maßnahmen des Brandschutzes anordnen. Dies ist auch noch nach vielen Jahren möglich. Ein Horrorszenario für den Bauherrn und ein Haftungsfall für den Architekten.
Hausbau - Der Schwarze Peter bleibt
Beide können sich auch nicht dadurch schützen, dass die Durchführung eines Baugenehmigungs- verfahrens oder ein erweiterter Prüfungsumfang bei der Behörde beantragt wird. Denn dazu kann die Behörde nicht gezwungen werden. Beim Genehmigungsfreistellungsverfahren wäre eine erteilte Baugenehmigung sogar rechtswidrig. Schutz für Bauherrn und Architekten bietet nur die genaue Einhaltung der Festsetzungen des Bebauungsplans. Wo dies nicht möglich erscheint, kann in bestimmten Ausnahmefällen eine Befreiung bei der Behörde beantragt und von dieser erteilt werden. In Zweifelsfällen hinsichtlich der Regelungen im Bebauungsplan und Befreiungsmöglichkeiten sollten sich Bauherr und Architekt Rechtsrat einholen. Nur so kann ein späteres böses Erwachen vermieden werden.
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Quelle: Augsburger Allgemeine Zeitung, AUSGABE NR. 64, Samstag, 16. März 2013
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Veröffentlichung in der Augsburger Allgemeinen Zeitung