Im Rahmen der Bemessung von Räumungsfristen müssen Gerichte die Auswirkung der Covid-19 Pandemie auf den Wohnungsmarkt von Amts wegen berücksichtigen (AG Düsseldorf, Urteil vom 27.3.2020 Az. 43 C 263/18).
Das AG Düsseldorf hat im Rahmen eines Räumungsprozesses den verklagten Mietern ohne Antrag und von Amts wegen eine Räumungsfrist zugebilligt. Die Argumentation dahinter war, dass den Mietern zum damaligen Zeitpunkt ein Umzug unzumutbar war. Eine zumutbare Umzugsmöglichkeit war aufgrund der allgemeinen Gefährdungslage durch das Covid-19 Virus, insbesondere wegen des weitreichen Kontaktverbots für Nordrhein-Westfalen nicht gegeben. Zum einen waren bereits die Möglichkeiten, sich überhaupt um Ersatzwohnungen zu bewerben bzw. Besichtigungstermine wahrzunehmen, erheblich eingeschränkt, wenn nicht ausgeschlossen.
Ungeachtet der ohnehin bereits angespannten Wohnungslage in Düsseldorf. Aber auch die Durchführung eines Umzugs war aufgrund der gesetzlichen Beschränkungen Hindernissen ausgesetzt. Ansammlungen von mehr als zwei Personen in der Öffentlichkeit waren nicht erlaubt und die Durchführung eines Umzugs mit entsprechenden Helfern stünde auch im Widerspruch mit der allgemeinen Handlungsempfehlung der Bundesregierung, den zwischenmenschlichen Kontakt weitestgehend zu reduzieren.
Aus demselben Grund, so das Amtsgericht, sind auch die Möglichkeiten des Vermieters, die frei gewordene Wohnung zügig weiterzuvermieten, ohnehin eigeschränkt gewesen. Auch diesen Umstand haben die Richter im Rahmen der Abwägung herangezogen. Dies sei auch nicht unbillig, da dem Vermieter für die Räumungsfrist eine Nutzungsentschädigung nach §546a BGB zusteht.
Mit dieser Ansicht steht das AG Düsseldorf nicht allein da. Auch das LG Berlin (Beschluss vom 3.4.2020 Az. 65 S 205/19 und vom 26.3.2020 Az 67 S 16/20) sieht in der Covid-19 Pandemie einen besonderen Umstand, der Gerichte von Amts wegen dazu verpflichtet Räumungsfristen zu gewähren. Ob diese allgemein gültige Regel auch auf Anträge auf Vollstreckungsschutz nach den §§ 765 a ZPO anzuwenden sind, bleibt noch abzuwarten.
Diese Entscheidungen lassen sich ohne weiteres auf andere Ballungsräume in anderen Bundesländern übertragen.Zwar entstammen diese Entscheidungen jeweils einem Zeitpunkt, in dem die Fallzahlen und die damit einhergehenden Beschränkungen des öffentlichen Lebens ihren Zenit erreicht hatten -zwischenzeitlich wurden in sämtlichen Bundesländern die geltenden Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen sukzessive gelockert und teilweise sogar ganz aufgehoben-, allerdings dürften die dort aufgestellten Erwägungen auch jetzt noch Anwendung finden.
Die Auswirkung der Covid-19 Pandemie auf den Wohnungsmarkt sind immer noch drastisch spürbar. Insbesondere in den Ballungsräumen. Auch eine zweite Welle mit neuerlichen Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen kann nicht ausgeschlossen werden.
Auf Räumung klagende Vermieter müssen sich darauf einstellen, dass die Gerichte Räumungsfristen zusprechen werden. Ebenso können sich Mieter darauf verlassen, dass die besonderen Auswirkungen der Corona Pandemie auf den Wohnungsmarkt berücksichtigt werden.
Für Fragen rund um das Thema Mieten, Wohnen, Grundstücks- und Immobilienrecht stehen Ihnen das Team der JuS Rechtsanwälte jederzeit zur Verfügung.
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Der Autor, Rechtsanwalt Uwe Hartung, ist Partner der Kanzlei JuS Rechtsanwälte, Augsburg (www.jus-kanzlei.de). Er ist Fachanwalt für Mietrecht, Grundstücks- und Immobilienrecht sowie Bau- und Architektenrecht. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren vornehmlich mit sämtlichen rechtlichen Fragen des Miet-, Wohnungseigentums und Baurecht. Zudem ist Herr Rechtsanwalt Hartung Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Miet- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltsvereins (ARGE MietR).