Oft werden wir in unserer Kanzlei mit Fragen konfrontiert, die einen nur kurzen Sachverhalt beschreiben, in dem Mitarbeiter beispielsweise einen Arbeitszeitbetrug oder ein vergleichbares ggfs. strafrechtlich relevantes Fehlverhalten an den Tag gelegt haben, und wir ein Votum über die Erfolgsaussichten einer außerordentlichen fristlosen Kündigung abgeben sollen.
Erfolgsaussichten gerade einer fristlosen Kündigung sind nicht so einfach zu beurteilen, wie eine simple Frage vermuten lässt. Es muss ein Gericht im Streitfall u.a. überzeugt werden, dass vorsätzlich begangenes Fehlverhalten überhaupt vorliegt und mildere Mittel hier als für die Arbeitgeberseite unzumutbar auszuschließen sind. Die stärkste Sanktion „fristlose Kündigung“ hat also die höchsten Hürden, weshalb auch immer „hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin“ gekündigt werden sollte, wenn die ordentliche Kündigung nicht vertraglich, tarifrechtlich oder gesetzlich ausgeschlossen sein sollte.
Zuerst sind natürlich stets die Formalien einer Kündigung, z. B. Betriebsratsanhörung, besonderer Kündigungsschutz und Behördenbeteiligung (bei Schwerbehinderten, Schwangeren, Elternzeit-/Pflegezeitnehmern etc.) zu prüfen. Wir konzentrieren uns hier aber auf den Kündigungsgrund:
Es wird häufig verkannt, dass allein aus einem als schwerwiegende Straftat bewerteten Vorwurf nicht direkt auf ein Recht zur außerordentlichen Kündigung geschlossen werden kann. Das deutsche Kündigungsrecht ist kein Strafrecht, sondern berechtigte Vorwürfe ergeben zukunftsbezogen relevante Indizien für die etwaige Unzumutbarkeit weiterer Zusammenarbeit, weil man - wie hier - den Betroffenen nicht mehr trauen kann. Daher ist der Kündigungsgrund auch hier nicht die Tat selbst, sondern der Umstand, dass sich aus den schwerwiegenden jahrelang begangenen Straftaten ein unwiderlegbarer Vertrauensbruch ergibt, der im Rahmen der Prognose die weitere Zusammenarbeit auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist für die Arbeitgeberseite unzumutbar macht (§ 626 BGB). Folgende Gesichtspunkte müssen wir hier näher beleuchten:
1. Es müssen die Vorwürfe belegbar und konkret dokumentiert und möglichst taggenau zugeordnet werden. So muss beispielsweise im Falle eines Arbeitszeitbetrugs festgestelltwerden, an welchen Tagen welche Arbeitszeiten als tatsächlich geleistet behauptet werden und welche Zeiten an welchen Tagen demgegenüber konkret nachweisbar zu Unrecht als Arbeitszeiten angesetzt worden sind. Diese konkrete Liste kann überhaupt nur Grundlage für den Vorwurf sein, es sei ein Arbeitszeitbetrug begangen worden. In Prozessen wird grundsätzlich immer der Vorwurf bestritten mit der Folge, dass die Arbeitgeberseite die konkreten vorgetäuschten Zeiten und die Täuschungshandlung selbst genau vorzutragen und unter Beweis zu stellen hat. Oft wird bei nachgewiesenem Fehlverhalten von „Versehen“ gesprochen um Vorsatz auszuschließen oder ein sonstiger Einwand vorgebracht, der den Beweis betrügerischer Vorsatztat verwässert und die Arbeitgeberseite in erhebliche Beweisnot bringen kann.
2. Es muss entweder eine Abmahnung eines vergleichbaren schwerwiegenden Vorfalles wirksam ausgesprochen worden sein und es hat sich in der „Bewährungszeit“ der nun monierte Wiederholungsfall ereignet oder es liegt nachweislich ein klarer Vertrauensbruch vor, der gerade im strafrechtlichen Kontext eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich macht.
3. Bloße Vermutungen, Wertungen oder Unterstellungen sind arbeitsrechtlich irrelevant, wenn Tatsachen nicht nachweisbar sind. Auch Vorgesetzte, die ihnen bekannte Verstöße zum Nachteil der Arbeitgeberseite kennen und nicht an den Kündigungsberechtigten weiterleiten, können durchaus wegen Beihilfe beispielsweise zu einem zu Arbeitszeitbetrugbelangt werden, denn dies ist ebenfalls ein schwerwiegender Verstoß. Für eine außerordentliche Kündigung ohne, dass eine berechtigte Abmahnung eines vorangegangenen vergleichbaren Falles vorliegt, muss die Arbeitgeberseite jedoch beweisen, dass der Vorgesetzte hier vorsätzlich dem Täter zu dessen vorsätzlichen Tat(en) geholfen hat und er absichtlich den Arbeitgeber nicht informiert hat um den eingetretenen beweisbaren Schaden zu vertuschen und zum Nachteil der Arbeitgeberseite zu decken. Das eröffnet wegen der subjektiven Komponente oft ein Beweisproblem, denn für die negative Zukunftsprognose ist hier ja Vertrauensbruch wegen Beihilfe zu strafrechtlich relevantem Verhalten nötig.
4. Der Kündigungsberechtigte, also derjenige, der zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus eigener Entscheidung berechtigt ist, darf darüber hinaus nicht zu lange mit der Zustellung einer außerordentlichen Kündigung warten. Diese muss innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis aller Umstände des Falles unter Eischluss der nötigen Zeit für die Sachverhaltsaufklärung zugestellt werden, was sehr kurz ist (§ 626 Abs. 2 BGB).
5. Bei jeder Kündigung ist aufgrund der Verhältnismäßigkeit der Mittel im Rahmen der Interessenabwägung abzuwägen, ob hier unter allen denkbaren Gesichtspunkten, zu denen insbesondere auch die Betriebszugehörigkeit und soziale Aspekte gehören, eine außerordentliche Kündigung trotz des schwerwiegenden Vorwurfes ausnahmsweise nicht in Betracht kommt. Zum besseren Verständnis: Das Arbeitsverhältnis eröffnet - bildlich gesprochen - eine Art „Beziehungsskonto“: Auf dieses Konto bucht der Mitarbeiter durch Arbeitsleistung über Jahre ein gewisses „Guthaben“. Dieses Konto wird daher im „Plus“ geführt. Durch Fehlverhalten, schwerwiegende Verstöße und ähnliches „bucht“ der Mitarbeiter jeweils erhebliche Kontingente von diesem Konto ab. Dies Konto muss aber immer im „Plus“ bleiben und darf nicht „ins Minus rutschen“. Dieses Bild mag ein wenig verdeutlichen, warum in manchen Gerichtsurteilen über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung trotz schwerwiegender Verstöße, die auch nach Meinung des Gerichts „an sich“ einen Grund für eine außerordentliche Kündigung geben, dennoch eine außerordentliche Kündigung als unwirksam angesehen wird.
6. Fazit: Dokumentierte beweisbare tatsächliche Straftaten gegen die Arbeitgeberseite sowie auch beweisbare vorsätzliche Beihilfehandlungen eines Vorgesetzten hierzu sind an sich geeignet, jeweils eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Die Interessenabwägung aller besonderen Umstände des beschriebenen Einzelfalles darf aber nicht zu Gunsten des Gekündigten ausfallen.
Für eine genaue Prognose über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung sind aber - wie immer in solchen Fällen - noch sehr viele Fragen zu klären, weswegen die sofortige Einschaltung arbeitsrechtlichen Sachverstands nach erster Kenntnisnahme von relevanten Vorwürfen vor einer Kündigung hilfreich ist.
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Autor: Rechtsanwalt Stefan Klaus