Ales zur Kennzeichnungpflicht | Anwalt Sascha Leyendecker | Anwälte Augsburg



Obwohl im Jahr 2004 in Kraft getreten, stellt die Pkw- EnVKV Kfz-Hersteller, -Importeure und -Händler nach wie vor vor umfangreiche Probleme. Dabei erscheint es zunächst eigentlich ganz einfach: Gemäß

§ 1 Abs. 1 Pkw-EnVKV haben „Hersteller und Händler, die neue Personenkraftwagen ausstellen, zum Kauf oder Leasing anbieten oder für diese werben, dabei Angaben über den Kraftstoffverbrauch, die CO2-Emissionen und gegebenenfalls den Stromverbrauch nach Maßgabe der §§ 3-5 sowie der Anlagen 1-4 zu machen“. Dass die Regelung einigen Sprengstoff enthält, sieht man ihr also eigentlich nicht an.


Denn grundsätzlich sind es die Anbieter ja gewohnt, ihre Fahrzeuge mit diversen Kennzeichnungen zu versehen, die vom Verbraucher im Handel als wesentlich angesehen werden. Bei der Kennzeichnung mit Kraftstoff-/Stromverbrauchs- und CO2-Emissionsangaben ergeben sich aber eine Reihe von Problemen, die insbesondere für die Autohäuser nicht so einfach zu lösen sind.


Welche Fahrzeuge sind zu kennzeichnen?

Zunächst ist nämlich einmal zu definieren, was unter dem Begriff „neue Pkw“ im Sinne des § 1 Pkw-EnVkV zu verstehen ist. Denn seit jeher kennen die Händler die – für das Sachmängelhaftungsrecht wesentliche – Unterscheidung fabrikneu, neu und gebraucht. Bekannt ist also, dass beispielsweise ein Fahrzeug nach einem Modellwechsel nicht mehr als fabrikneu gilt.


Hiervon streng zu unterscheiden ist allerdings die Begriffsbestimmung in § 2 der Pkw-EnVKV, wonach neue Pkw solche sind, „die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurden“. Ersichtlich handelt es sich um eine sehr sperrige Formulierung, die am Ende bedeutet, dass selbst Fahrzeuge, deren Produktionsdatum beispielsweise schon mehrere Jahre in der Vergangenheit liegt, „neu“ im Sinne der Verordnung sein können, wenn sie eben noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung, das heißt im Ergebnis an einen Endkunden, verkauft wurden (OLG Celle, Az. 13 U 154/13).


Hinzu kommt eine spezielle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bewerbung von Vorführwagen, die ebenfalls unter gewissen Voraussetzungen (insbesondere bei einer Laufleistung von nicht mehr als

1.000 Kilometern) als Neuwagen im Sinne der Verordnung gelten können.


Wie sind die Fahrzeuge zu kennzeichnen?

Ein weiteres großes Problem der Verordnung ist, dass die Pkw-EnVKV je nach Medium, in dem entweder eine Bewerbung von Fahrzeugen stattfindet oder Fahrzeuge zum Kauf oder Leasing angeboten bzw. ausgestellt werden, unterschiedliche Anforderungen an die entsprechende Kennzeichnungspflicht von Herstellern, Importeuren und Händlern stellt.


Bei einem im Autohaus ausgestellten Fahrzeug beispielsweise muss der Händler darauf achten, dass er sämtliche neuen Pkw mit dem von der Pkw-EnVKV exakt vorgegebenen Label kennzeichnet. Schon hier entstehen die ersten Probleme: Liefert der Spediteur Neufahrzeuge beispielsweise mitten in der Nacht oder sehr früh am Morgen an, muss der Händler befürchten, aufgrund eines zu spät angebrachten Pkw-Labels abgemahnt zu werden, wenn die Nichtkennzeichnung vorher bemerkt und zur Abmahnung gebracht wird.


Ausgestellte Fahrzeuge

Oftmals ist Hintergrund einer erhaltenen Abmahnung, dass die Händler der Meinung waren, die eingetroffenen Fahrzeuge würden doch noch gar nicht zum Verkauf angeboten bzw. seien lediglich zur Auslieferung an den Kunden gedacht. Das entspricht allerdings nicht der Rechtslage: Die Rechtsprechung geht davon aus, dass auch Fahrzeuge, die gerade angeliefert wurden, als ausgestellt im Sinne der Verordnung gelten können, auch wenn das konkrete Fahrzeug bereits an einen Endkunden verkauft ist und demnächst ausgeliefert wird. Ein Hinweisschild „verkauft“ hilft in diesen Fällen nicht weiter.


In der Rechtsprechung noch nicht obergerichtlich bzw. höchstrichterlich entschieden sind Abmahnfälle, die im Herbst 2021 zunehmend aufgetreten sind: Dort hatten Händler Fahrzeuge, die auf das Autohaus zugelassen waren und ein amtliches Kennzeichen trugen, nicht mit einem Pkw-Label versehen, weil sie der Meinung waren, dass diese Fahrzeuge nicht zum Kauf angeboten und auch nicht ausgestellt wurden. Die abmahnende Deutsche Umwelthilfe sah das allerdings anders, da die Fahrzeuge eine Werbebeklebung enthielten, beispielsweise „Der neue ID.3“ oder Ähnliches – und damit nach ihrer Auffassung kennzeichnungspflichtig waren.


In einem Fall erging sogar eine Abmahnung, als ein Vorführfahrzeug mit einer entsprechenden Beklebung des Fahrzeugmodells und Hinweis auf ein dieses Fahrzeug anbietendes Autohaus im öffentlichen Straßenraum und nicht auf dem Betriebsgelände des Autohauses geparkt war. Die Deutsche Umwelthilfe bemängelte, dass das Fahrzeug nicht mit dem Pkw- Label versehen war. Hinsichtlich der beschriebenen Fallkonstellationen existiert aber leider noch keine gefestigte Rechtsprechung. Gefährlich sind sie für die Autohäuser aber insbesondere dann, wenn in der Vergangenheit einmal eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben wurde.


Man sieht an diesen Beispielen, wie kompliziert sich mittlerweile die Einhaltung der Pkw-EnVKV für die Autohäuser darstellt.


Druckschriftenwerbung

Für die sogenannte Druckschriftenwerbung hält die Pkw-EnVKV gesonderte Regelungen bereit, die sich von der Ausstellung „im Autohaus“ und der elektronischen Werbung unterscheiden: So müssen nämlich in der Druckschriftenwerbung alle drei in der Verordnung genannten Testzyklen (innerorts, außerorts, kombiniert) für den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen im kombinierten Testzyklus angegeben werden. Viele Händler sind hier der Ansicht, dass eine Kennzeichnungspflicht erst dann erfolgen müsse, wenn auch Angaben zur Motorisierung in der gedruckten Werbeanzeige erscheinen. Das ist allerdings nicht der Fall. Fahrzeuge sind immer schon dann kennzeichnungspflichtig, wenn ein konkretes Fahrzeugmodell beworben wird; es kommt weder auf eine Preis- noch eine Motorisierungsangabe in der Werbeanzeige an.


Allerdings bietet die Verordnung bei der Bewerbung mehrerer Fahrzeugmodelle in einer Anzeige auch Vereinfachungsmöglichkeiten. In diesen Fällen ist es ausreichend, dass der Händler lediglich den Kraftstoffverbrauch im kombinierten Testzyklus „vom ungünstigen zum günstigen“ angibt. Es entfallen also bei der Kennzeichnung mehrerer Fahrzeugmodelle in einer gedruckten Anzeige die Testzyklen innerorts und außerorts. Bei den CO2- Emissionen ist ausnahmslos nur der kombinierte Wert erforderlich.


Elektronische Werbung

Vor die größten Probleme stellt die Hersteller, Importeure und Händler die Fahrzeugwerbung in elektronischen Medien, wobei die Verordnung nicht danach unterscheidet, ob es sich um eine Webseitenwerbung, eine Bannerwerbung oder eine Werbung in sozialen Netzwerken handelt. In diesen Medien gilt, dass die Werbetreibenden Kraftstoffverbrauch/Stromverbrauch lediglich im kombinierten Testzyklus angeben müssen, ferner natürlich auch die CO2-Emissionen im kombinierten Testzyklus. Warum in elektronischen Werbungen weniger Angaben gemacht werden müssen, als in der Druckschriftenwerbung, ist unbekannt.


Grundsätzlich gilt in der elektronischen Werbung das, was die Händler auch gerne für die Druckschriftenwerbung anwenden, nämlich dass die Kennzeichnung mit Kraftstoff- verbrauchs- und Emissionsangaben erst dann zu erfolgen hat, wenn erstmalig Angaben zur Motorisierung erscheinen. Diese gesetzliche Regelung wird aber mittlerweile von einigen Landgerichten extensiv ausgelegt, das heißt, die Landgerichte nähern die Vorgaben der Druckschriftenwerbung an die der elektronischen Werbung an. Das hatte in einigen landgerichtlichen Entscheidungen zur Folge, dass bei der Werbung für ein konkretes Fahrzeugmodell (welches beispielsweise nur in einer Motorisierung existiert) die Kennzeichnung auch dann erfolgen muss, wenn die Werbeanzeige gar keine Angaben zur Motorisierung enthält.


Der frühere „Trick“, sich eine Kennzeichnung von Neufahrzeugen in elektronischen Werbungen sparen zu können, wenn einfach die Angaben zur Motorisierung weggelassen werden, hilft also nicht mehr. Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung sollten daher die Angaben zu Verbrauch und Emissionen auch dann gemacht werden, wenn zwar keine Motorisierungsangaben erfolgen, allerdings das Fahrzeug nur als ein Derivat angeboten wird. Dies ist insbesondere für „kleinere Hersteller“ ein sehr wichtiger Aspekt der Kennzeichnungsvorschriften bei elektronischer Werbung.


Was tun bei Abmahnungen

Verstöße gegen die Kennzeichnungspflichten der Pkw-EnVKV sind für Hersteller, Importeure und Händler deshalb so gravierend, da sie von der Deutschen Umwelthilfe

e. V. flächendeckend verfolgt sowie auch gegebenenfalls abgemahnt werden – und abgegebene Unterlassungserklärungen fortwährend überwacht werden.

Die Händler erhalten beispielsweise eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung, in welcher der Verstoß dargelegt wird. Im Folgenden werden die Händler aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben, wonach sie sich bei Meidung einer empfindlichen Vertragsstrafe für die Zukunft verpflichten sollen, nicht mehr unter Verstoß gegen die Pkw-EnVKV Fahrzeuge zu verkaufen, auszustellen oder zu bewerben.


Vom Grundsatz her ist eine außergerichtliche Abmahnung mit der Aufforderung eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben ein „preiswertes“ Mittel, um auch für den Empfänger der Abmahnung die Angelegenheit durch Abgabe der Unterlassungserklärung schnell und relativ kostengünstig aus der Welt zu schaffen. Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ist also dann sinnvoll, wenn der abgemahnte Wettbewerbsverstoß für die Zukunft von dem abgemahnten Unternehmen ohne allzu großen Aufwand unterbunden werden kann.


Beispiel

Ein Unternehmen bewirbt sich selbst als den umsatzstärksten Händler einer bestimmten Automarke, was allerdings unzutreffend ist. Erhält der Händler eine entsprechende wettbewerbsrechtliche Abmahnung, kann eine Unterlassungserklärung sinnvoll und preiswert sein, da über diese klare Rechtsfrage kein kostenintensives Verfahren geführt werden muss und der Wettbewerbsverstoß zukünftig unproblematisch unterlassen werden kann.


Anders verhält es sich im Falle von Verstößen gegen die Pkw-EnVKV. Hier besteht das Problem, dass der Händler bei Abgabe einer strafbewehrten Unterlas- sungsverpflichtungserklärung regelmäßig verspricht, Fahrzeuge nicht mehr unter Verstoß gegen Regelungen der Pkw- EnVKV zu bewerben. Das bedeutet für die Zukunft, dass nach Abgabe einer entsprechenden Unterlassungserklärung für jeden erneuten Verstoß gegen die Unterlassungserklärung – und damit gegen Regelungen der Pkw-EnVKV – eine Vertragsstrafe fällig werden wird, wobei die Unterlassungserklärung eine unbefristete (!) Geltungsdauer besitzt. Das bedeutet weiter, dass in dem komplexen Konstrukt der Pkw-EnVKV jeglicher Verstoß gegen Kennzeichnungsvorschriften, das heißt beispielsweise „keine Kennzeichnung“ oder „Kennzeichnung im falschen Layout“ oder „unzureichende Kennzeichnung“, Vertragsstrafen auslösen kann, weil dann die Unterlassungserklärung während der unbefristeten Geltungsdauer jahrzehntelang wie ein Damoklesschwert über dem Autohaus schwebt.


Vor diesem Hintergrund ist ernsthaft zu überlegen, ob tatsächlich nicht ein gerichtliches Verfahren geführt werden soll. Dieses hat am Ende niemals eine Verurteilung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung zur Folge. Es kann lediglich ein Unterlassungsurteil ergehen, in dessen Rechtsfolge bei zukünftigen Verstößen ein Ordnungsgeld festgesetzt werden kann, welches angemessen sein muss. Dieses fließt im Übrigen nicht dem Abmahnenden, sondern der Staatskasse zu.


„Die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben ist für ein Autohaus nicht einfach. Vor dem Hintergrund, dass die Deutsche Umwelthilfe und andere Abmahner die Autohäuser mit Argusaugen überwachen und regelmäßig Abmahnungen versenden, hat der VAPV zusammen mit den übrigen Fabrikatsverbänden über den ZDK die Forderung an alle Automobilhersteller gerichtet, Neufahrzeuge direkt ab Werk mit Labels auszustatten, sodass das Autohaus bei Auslieferung sicher ist und kein gesondertes Label erstellen muss.“

Dirk Weddigen von Knapp,

Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer Volkswagen und Audi Partnerverband e. V.

Quelle: AUTOBUSINESS Ausgabe 1/2022: Sales / Gebrauchtwagen

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Autor: Rechtsanwalt Sascha Leyendecker

Anwalt Augsburg Jus Kanzlei Leyendecker

Sascha Leyendecker