Während bundesweit Gastronomen, Fitnessstudiobetreiber und Inhaber von Freizeiteinrichtungen mit den neuen Herausforderungen rund um den „Lockdown light“ kämpfen, werden immer mehr Urteile zu der Frage, ob eine Betriebsschließungsversicherung aufgrund der behördlichen Schließungsanordnungen im Frühjahr 2020 zur Zahlung verpflichtet sind, gefällt. Das erste, bahnbrechende Urteil erging in München. Wir hatten hierzu bereits mehrfach berichtet (zuletzt: „Betriebsschließungsversicherung – Versicherung muss zahlen!“). Mit Urteil vom 01.10.2020 wurde dort der Versicherer zur Zahlung eines siebenstelligen Betrages verpflichtet. Die Richter stellten fest, dass sich der Versicherer auf Basis der dort verwendeten Versicherungsvertragsbedingungen nicht darauf berufen könne, dass keine Leistungspflicht besteht, da das „neuartige Coronavirus“ als Krankheitserreger dort nicht genannt ist.
Gute Nachricht für Münchener Wirte
Zwischenzeitlich haben sich die Beteiligten dieses Verfahrens außergerichtlich geeinigt. Dies wohl vor allem deshalb, da es zu befürchten galt, dass bei einer Zahlungspflicht dieser Größenordnung der Versicherer in Berufung gehen wird, gar mit einer Revision vor dem Bundesgerichtshof zu rechnen ist. Somit würde sich das Verfahren möglicherweise noch Jahre „ziehen“. Um ein schnelles Ende zu erzielen, erfolgte daher nunmehr eine Einigung.
Kurz darauf gab das Landgericht München in einem weiteren Verfahren einem Gastronom recht: auch hier erachtete das Gericht die verwendeten Versicherungsvertragsbedingungen für intransparent und somit unwirksam. Der Versicherer wurde hier zur Zahlung von knapp 430.000 Euro verpflichtet. Das Gericht führte dabei auch aus, dass sich der Wirt nicht auf einen Außerhausverkauf verweisen lassen muss, wenn er für den Restaurantbetrieb ein lediglich völlig untergeordnetes Mitnahmegeschäft darstellt.
Einige Gerichte lehnen Anspruch ab
Strenger hingegen urteilten etwa die Landgerichte in Stuttgart, Bochum und Hamm. Sie sahen die Versicherung im Recht und wiesen die Klagen ab. Allerdings war dort die maßgebliche Vertragsklausel – anders als in den Münchener Verfahren – enger gefasst. Nach der dort verwendeten Formulierung sollte Versicherungsschutz ausdrücklich „nur“ für die aufgeführten Krankheiten bestehen. Mit dieser Formulierung sei auch dem Laien klar, dass das (nicht aufgeführte) SARS-CoV-2-Virus vom Versicherungsumfang nicht gedeckt ist, so die Richter.
Auch das Landgericht Oldenburg wies eine Klage ab. In den dort verwendeten Versicherungsvertragsbedingungen war eine ähnliche Formulierung wie in den Münchener Verfahren vertraglich vereinbart gewesen. Allerdings setzte sich das Gericht hier nicht so vertieft wie die Münchener Richter mit der Thematik auseinander. Ob der Kläger daher hier in Berufung gehen wird, bleibt abzuwarten.
Gute Chancen für Vergleichsverhandlungen
Die Entwicklung ist dynamisch. Maßgeblich sind die jeweils zu Grunde liegenden Vertragsbedingungen. Es kristallisiert sich immer mehr heraus, dass eine Klage bei einigen der im Umlauf befindlichen Klauseln durchaus erfolgsversprechend sein kann. Bei anderen Formulierungen hingegen sollte eher von einer Klage abgesehen werden. Die bereits ergangenen und wohl auch noch ergehenden positiven Urteile erhöhen jedenfalls den „Druck“ auf die Versicherungswirtschaft. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Versicherer in den Ende April / Anfang Mai Eilens geschlossenen Vergleichsangeboten sich wohl durchaus bewusst waren, dass bestenfalls Zweifel über die Wirksamkeit eines etwaigen Leistungsanspruchs bestehen, und sie demnach den Versicherungsnehmer hierüber hätten informieren müssen, sind die Münchener Urteile Wasser auf die Mühlen all derer, die gegen einen bereits geschlossenen Vergleich vorgehen wollen. Hier kann sich ein „Nachverhandeln“ mit dem Versicherer möglicherweise lohnen.
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Autorin: Rechtsanwältin Julia Kühnle