Ansprüche wegen Bauzeitverzögerung?
Die zeitliche Komponente eines Bauprojekts gewinnt immer mehr an Bedeutung. Wenn der Bauherr oder Umstände aus seiner Sphäre die Ausführung der vertraglichen Leistung verzögern, können daraus Schadensersatzansprüche bzw. Entschädigungsansprüche für den Auftragnehmer entstehen.
Eine aussagekräftige Dokumentation ist das „A und O“, wenn ein Anspruch aus gestörtem Bauablauf geltend gemacht werden soll. Notwendig ist eine Darstellung der kalkulierten im Vergleich zu den tatsächlichen Bauabläufen, im Idealfall mittels Balkendiagrammen. Nach OLG München, Urteil vom 20.11.2007, ist es zur Begründung eines Entschädigungsanspruchs aus § 642 BGB wegen Behinderung notwendig, dass der Auftragnehmer zunächst den bauvertraglich vereinbarten Bauablauf darlegt, dann die genaue Behinderung und schließlich deren konkrete Auswirkungen auf seine Leistungen.
Notwendig ist auch eine vergleichende Aufstellung der kalkulierten und der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben über den gesamten Zeitraum bis zur Beendigung des Auftrags. Nur so kann die Höhe eines eventuellen Schadens ermittelt werden.
Letztendlich muss die Vermögenslage des Auftragnehmers ohne und mit Bauzeitverzögerung nachvollziehbar verglichen werden. Dies ist notwendig, um zu verhindern, dass z.B. Gemeinkosten und entgangener Gewinn geltend gemacht werden, obwohl tatsächlich die entsprechenden Beträge erspart bzw. anderweitig erwirtschaftet worden sind.
Das OLG Köln führt dazu im Beschluss vom 08.04.2015 - 17 U 35/14 wie folgt aus:
„Ansonsten besteht die Möglichkeit, dass die Klägerin die von ihr behaupteten Gemeinkosten und den entgangenen Gewinn für die Bauzeitverzögerung des Baubeginns von der Beklagten erstattet bekäme, obwohl sie in diesem Zeitraum tatsächlich entsprechende Beträge aufgrund anderer Dispositionen (vorweggenommener Betriebsurlaub; Abänderung von Zeitverträgen und Ausgleich von Überstunden; Vorziehen anderer Projekte und Maßnahmen wie Schulungen, Aus und Fortbildungen usw.) ganz oder teilweise erspart hat oder anderweitig verbuchen konnte, so dass sie tatsächlich keinen oder jedenfalls einen geringeren Schaden bzw. finanzielle Nachteile erlitten hat.“
„Diese Auffassung des Senats wird besonders klar, wenn man sich auf der Seite des Unternehmers eine Einzelperson (Handwerker) vorstellt: Dieser wird nicht "seine Hände in den Schoß legen" und warten, bis er endlich mit dem Auftrag beginnen kann, sondern die "freie Zeit" nutzen, andere Aufträge oder sonstige Maßnahmen vorzuziehen oder seine Arbeitskraft anderweitig anzubieten. Erst eine vergleichende Gegenüberstellung der erwarteten und der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben über den gesamten Zeitraum bis zur Beendigung des verzögerten Auftrags zeigt auf, ob er einen Schaden erlitten und Anspruch auf Entschädigung hat.“
Fazit: Der gerichtsfeste Bauzeitennachtrag ist möglich, erfordert aber eine aussagekräftige Dokumentation, die möglichst schon baubegleitend erstellt worden ist. Zusätzlich wird in den meisten Fällen ein baubetriebliches Gutachten erforderlich sein.
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Autor: Rechtsanwalt Thomas Schmitt, ist Partner der Kanzlei JuS Rechtsanwälte, Augsburg (www.jus-kanzlei.de). Er ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und Schlichter nach SOBau des Deutschen Anwaltverein (DAV). Er beschäftigt sich seit über 18 Jahren vornehmlich mit sämtlichen rechtlichen Fragen des Bau-, Architekten- und Immobilienrechts. Zudem ist Herr Rechtsanwalt Schmitt Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltsvereins (ARGE BauR).