1. EuGH Urteil zum Urlaubsrecht – Hinweispflicht
Gemäß § 7 III 1 BUrlG verfällt der Urlaubsanspruch zum Ende des Kalenderjahres, wenn er nicht gewährt und genommen wird.
a) Was galt bisher
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG galt dies selbst für den Fall, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber rechtzeitig, aber erfolglos aufgefordert hatte, ihm Urlaub zu gewähren.
b) Was ist neu
Am 06.11.2018 entschied der EuGH (C-684/16 und C-619/16), dass der Arbeitgeber gehalten sei, „konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage [ist], seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihm – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun“.
Der Arbeitgeber hat somit jeden Arbeitnehmer mit Resturlaubsansprüchen klar und rechtzeitig darauf hinzuweisen, diesen zu nehmen und, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums verfallen wird, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nimmt.
Inhaltlich muss eine solche Unterrichtung also enthalten:
(1) eine Information über die Zahl der dem Arbeitnehmer/in zustehenden Urlaubstage;
(2) die Aufforderung, den Urlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er noch im laufenden Urlaubsjahr genommen werden kann; und
(3) einen unmissverständlichen Hinweis darauf, dass der Urlaub ersatzlos verfallen wird, wenn er innerhalb des mit Datum zu benennenden Bezugszeitraums nicht genommen wird.
--> Eine abstrakte Umschreibung im Arbeitsvertrag oder die Ausgabe eines Merkblatts an die Mitarbeiter reichen nicht aus, denn diesen Informationen fehlt der auf einen ganz konkreten Urlaubsanspruch zu beziehende Hinweis.
--> Ein solcher Hinweis muss für jedes Kalenderjahr neu erfolgen und die Zahl der jeweils offenen Urlaubstage beziffern, die dem einzelnen Mitarbeiter im fraglichen Bezugszeitraum konkret zustehen.
Zeitpunkt und Häufigkeit der Unterrichtung
Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts ist es regelmäßig ausreichend, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die notwendigen Hinweise zu Beginn des Kalenderjahres gibt. Dagegen ist es nicht erforderlich, dass die Mitteilung „ständig aktualisiert“ wird.
Praxistipp: Der Hinweis sollte spätestens gegen Ende des dritten Quartals eines jeden Jahres erteilt und in der Personalakte dokumentiert werden.
2. EuGH Urteil zum Urlaubsrecht – Vererbbarkeit
Was bisher galt:
Bislang war das Bundesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass zum Todeszeitpunkt noch kein Abgeltungsanspruch bestand, weshalb dieser auch nicht vererbt werden könne.
Was ist neu?
Nach dem Europäischen Gerichtshof (Große Kammer), Urt. v. 6.11.2018 – C-569/16, C-570/16, gilt: Endet das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers, haben dessen Erben einen Anspruch auf Abgeltung des vom Erblasser nicht genommenen Urlaubs. Urlaub hat also neben dem Erholungseffekt eben auch einen geldwerten Aspekt.
3. EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung
Der Europäische Gerichtshof hat am 14.05.2019 - C-55/18 - entschieden, dass Unternehmen die tägliche Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer erfassen müssen.
Nach dem EuGH ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die von jedem Arbeitnehmer täglich geleistete Arbeitszeit gemessen werden kann.
Was bisher gilt:
Das deutsche Recht kennt keine grundständige Verpflichtung des Arbeitgebers, die Arbeitszeit seiner Beschäftigten vollumfänglich zu erfassen. Im Hinblick auf Zahlung des Mindestlohns und deren Kontrollmöglichkeit sind lediglich die Zeiten der Minijobber und die Zeiten der Arbeitnehmer in den im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannten Wirtschaftsbereichen zu erfassen, in denen eine besondere Missbrauchsgefahr besteht ( z.B. das Baugewerbe, Gaststätten und Herbergen, Speditions-, Transport und Logistikbereich, Unternehmen der Forstwirtschaft, Gebäudereinigung, Messebau und Fleischwirtschaft, Zeitungszustellung und bei Paketdiensten).
Nach § 16 Abs. 2 ArbZG hat der Arbeitgeber lediglich die Pflicht, die über die werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen.
Folgen der Entscheidung
Derzeit besteht kein „akuter“ Handlungsdruck für Arbeitgeber. Bislang richtet sich das EuGH-Urteil an den Gesetzgeber die unionsrechtliche Verpflichtung umzusetzen. Hinsichtlich des „Ob“ der Aufzeichnungen steht dem Gesetzgeber kein Entscheidungsspielraum zu. Anders ist es beim „Wie“ der Aufzeichnungen. Hier hat der Gesetzgeber einen gewissen Spielraum.
Hinweis:
Wenn auch zu diesem Zeitpunkt noch keine Handlungspflicht besteht, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Arbeitsgerichte und Behörden versuchen werden, Arbeitgeberpflichten nach dem ArbZG im Sinne des EuGH-Urteils erweiternd auszulegen um für die Übergangszeit einen unionsrechtkonformen Zustand herzustellen. Diese mögliche Entwicklung muss also beobachtet werden.
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Autor: Rechtsanwalt Augin Dozla