Fahrzeuge der neuen Generation werden vermehrt mit einem Touchscreen ausgestattet - dies kann allerdings auch Tücken mit sich führen
Der technische Fortschritt ist auch in der Automobilentwicklung nicht wegzudenken. So werden Fahrzeuge der neueren Generation vermehrt einem Touchscreen ausgestattet, mit derer Hilfe wesentliche Bedienfunktionen gesteuert werden. Dass dieser Komfort durchaus auch mit Nachteilen behaftet sein kann, zeigt folgender Fall, der vor dem OLG Karlsruhe (Beschluss vom 27.03.2020) verhandelt wurde:
Was war geschehen?
Der betroffene Fahrer eines Fahrzeuges der Marke Tesla bediente bei regennasser Fahrbahn den neben dem Lenkrad fest über der Mittelkonsole installierten Berührungsbildschirm (Touchscreen) seines PKW, um so die Intervalle des bereits wegen starken Regens eingeschalteten Scheibenwischer anders einzustellen. Da er sich dabei offenbar den Witterungsverhältnissen unangepasst lange dem Bedienen des Touchscreen widmete, seinen Blick daher zu lange vom Verkehrsgeschehen abgewendet hatte, kam er von der Straße ab, fuhr in eine Böschung und kollidierte mit mehreren Bäumen.
Gegen ihn wurde daher wegen Benutzung eines elektronischen Gerätes im Sinn des § 23 I a StVO ein Bußgeld in Höhe von 200,00 € erlassen und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Hiergegen versuchte der Betroffene nunmehr erfolglos sich zu wehren zu setzen. Der Fahrer führte dabei aus, das Bußgeld nebst Fahrverbot sei nicht berechtigt, da es sich bei dem fest im Fahrzeug verbauten Touchscreen nicht um ein „elektronisches Gerät“ im Sinn des § 23 Ia StVO handle. Dies sahen die Richter anders.
Gericht bestätigt: Zahlung eines Bußgeldes begründet, da Blick auf den Touchscreen bei nicht angemessener Verkehrssituation erfolgte
So stellte das Gericht nach Auswertung der Bedienanleitung des Fahrzeuges fest, dass der Scheibenwischer an dem Fahrzeug zwar via Hebel am Lenkrad ein- bzw. ausgeschaltet werden kann, das Einstellen der Wischintervalle aber nur durch das Bedienen des Touchscreen möglich ist. Hierfür muss zunächst zwingend ein Scheibenwischsymbol berührt werden, sodann kann in einem Untermenü zwischen fünf verschiedenen Intervallstärken ausgewählt werden.
Gleichwohl handelt es sich hierbei, so die Richter des OLG Karlsruhe, um ein „elektronisches Gerät“ im Sinn des § 23 I a S.1, 2 StVO, welches nur bedient werden darf, wenn eine lediglich kurze „den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist“. Vorliegend kam das Gericht zu der Überzeugung, dass angesichts des Sachverhaltes, die vorgenommene Blickzuwendung zu dem Bildschirm der Verkehrssituation nicht angemessen war. Daher war das hier verhängte Bußgeld nebst Fahrverbot begründet.
Auswirkung für die Praxis:
Das Urteil ist vor allem deshalb bemerkenswert, da sich hier erstmals ein Gericht zu der Frage geäußert hat, ob das Bedienen eines fest verbauter Bordcomputer auch unter die seit 19.10.2017 neu eingeführte, bußgeldbewährte Fassung des § 23 I a StVO fällt. Das Bedienen eines solchen Gerätes ist daher nur dann zulässig, wenn die mit dessen Benutzen notwendig verbundene Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen mit der konkreten Verkehrssituation vereinbar ist.
Anders als bei Mobiltelefonen - deren Nutzung schon verboten ist, wenn sie dazu aufgenommen oder gehalten werden müssen (§ 23 I a Satz 1 Nr.1 StVO) - gilt dies für das Bedienen von Bordcomputern eben nur, wenn die Blickzuwendung zu diesem Gerät der Verkehrssituation nicht entspricht. Führt das Verhalten dann zu einem Unfall, so kann hierfür nach § 25 StVG zusätzlich ein Regelfahrverbot für die Dauer von ein bis drei Monaten verhängt werden.
Vor diesem Hintergrund gilt es in Zusammenhang mit Ordnungswidrigkeiten zu beachten, dass es nicht zielführend ist, wenn sich der Betroffene dahingehend einlässt, der Unfall habe sich ereignet, weil er das Fahrzeug mittels Touchscreen bediente. Vielmehr ist es hier anzuraten, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen, denn der – im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens – durch die Verfolgungsbehörde zu führende notwendige Nachweis, dass die Benutzung des Touchscreens zum Unfall führte, wird schwer möglich sein.
Anders hingegen ist dies im Hinblick auf die zivilrechtliche Beurteilung, wenn es also zu einem Unfall mit einem anderen Verkehrsteilnehmer kommt und dieser Schadensersatzansprüche geltend macht. Hier führt der Umstand, dass ein Touchscreen benutzt wurde bereits zum Anscheinsbeweis, dass ein solches Verhalten unfallursächlich war. Diese Vermutung zu erschüttern, dürfte dem Fahrer mitunter schwerfallen.
Die Entscheidung des OLG Karlsruhe führt klar vor Augen, dass die Bedienung fest verbauter Touchscreens mit erheblichen Gefahren verbunden ist – möglicherweise wird dies in Zukunft dazu führen, dass die Hersteller von der – zumindest auf den ersten Blick - komfortablen Fahrzeugbedienung via Touchscreen wieder abkommen, möglicherweise zurück zu den alt bewährten Schaltern und Hebel, da deren Bedienen weniger Aufmerksamkeit verlangt, als die eines geführten Touchscreenmenüs. Solange dies jedoch noch nicht der Fall ist, gilt es sorgfältig abzuwägen, ob die Blickzuwendung zum Bildschirm im Hinblick auf die Verkehrssituation gefahrenfrei möglich ist.
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Die Autorin, Rechtsanwältin Julia Kühnle, Fachanwältin für Verkehrsrecht Augsburg mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Versicherungsrecht