Der Bundesgerichtshof hat am 12. Januar 2022 in Bezug auf die Anpassung von Miete und Pacht wegen coronabedingter Schließung eines Einzelhandelsgeschäftes sein erstes Urteil gefällt und hierin maßgebliche Grundsätze hinsichtlich der Mitteilungspflichten bzw. Pachtzahlungspflichten verkündet.
Wir dürfen Ihnen die wichtigsten Fragen und Antworten anhand der Entscheidung des BGH erklären:
Anwalt Mietrecht Augsburg
1. Frage:
Sind die Einschränkungen bzw. Betriebsuntersagungen durch die Corona-Pandemie ein Mangel der Mietsache? Ist der Mieter dadurch laut Mietrecht daher zur Mietminderung berechtigt?
Antwort:
Nein! Der Bundesgerichtshof ist hier seinem bisherigen mietrechtlichen Kurs gefolgt. Die coronabedingten Mietminderungen führen nicht zu einem Mangel an der Mietsache! Eine Mietminderung kommt nicht in Betracht, da das Mietobjekt selber vom Vermieter im Rahmen seiner tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten zur Nutzung zur Verfügung gestellt wird. Der Vermieter hat darüber hinaus generell keine Verpflichtungserklärung abgegeben, für alle erdenklichen Umstände eine Gewährleistungshaftung zu übernehmen. Anwalt Mietrecht Augsburg
Das hat die praktische Bedeutung, dass im Falle eines Mangels der Mietsache, der zu zahlende Mietzins kraft Gesetztes im Verhältnis zu Verminderung der Tauglichkeit der Mietsache herabgesetzt würde. Dem erteilt der BGH eine klare Absage. Zum Thema Mietrecht Augsburg
2. Frage:
Was also meint der Bundesgerichtshof, wenn er von einer Störung der Geschäftsgrundlage spricht?
Antwort:
Die Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 des Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) stellt einen absoluten Ausnahmetatbestand dar. Sie räumt einer Vertragspartei ein Recht auf Anpassung oder sogar Kündigung eines Vertrages ein, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend geändert haben. Jedoch nur dann, wenn die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, und zusätzlich ein Festhalten am bisherigen Vertrag unzumutbar ist. Die Eingangshürden dafür, ob überhaupt eine Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht kommt, liegen bereits sehr hoch.
3. Frage:
Ist die Corona-Pandemie ein solcher Ausnahmefall der Störung der Geschäftsgrundlage? Diese Frage beantwortet unser Anwalt Mietrecht Augsburg wie folgt:
Antwort: Zum Thema Mietrecht Augsburg
Hier sagt der BGH grundsätzlich ja! Der Bundesgerichtshof stellt die generelle Vermutung auf, dass sich die Vertragsgrundlage im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB schwerwiegend verändert hat, wenn vermietete Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblichen Einschränkungen verwendet werden können.
Die Vertragsgrundlage ist also nicht nur dann betroffen, wenn eine Schließung angeordnet wurde, sondern auch, wenn erhebliche Einschränkungen des Betriebes zur Pandemiebekämpfung angeordnet wurden, z. B. durch reduzierte Verkaufsflächen und Besucherbeschränkungen. Zum Thema Mietrecht Augsburg
Der BGH stellt zunächst die generelle Vermutung auf, dass die Eingangshürden für eine Störung der Geschäftsgrundlage durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die Beschränkungen grundsätzlich genommen sind.
4. Frage:
Gilt diese Regelung ausnahmslos für alle gewerblichen Mietverträge bzw. Pachtverträge, auch kürzlich abgeschlossene?
Antwort:
Hier kommt es drauf an! Der Bundesgerichtshof hält in diesem Zusammenhang fest, dass es sich um die Störung der sogenannten großen Geschäftsgrundlage handelt, sodass generell die Vermutung besteht, dass die Parteien eine anderweitige Regelung getroffen hätten, hätten sie von der Pandemie bei Vertragsabschluss Kenntnis gehabt. Darüber hinaus ist der Miet-/Pachtvertrag zu prüfen, ob die Parteien durch eine Vereinbarung des allgemeinen Risikos der Pandemie durch vertragliche Abreden geändert haben. Findet sich im Mietvertrag eine vertragliche Regelung, so gilt vorrangig das vertraglich vereinbarte.
ABER VORSICHT! Das Gleiche gilt, wenn die Parteien den Mietvertrag nach Beginn der Pandemie geschlossen haben oder wenn die Parteien nach Beginn Nachträge zum Miet- oder Pachtvertrag abgeschlossen haben. Auch dann haben die Parteien den Vertrag in Kenntnis und Ansehung der Corona-Pandemie geschlossen und die Vermutung gilt ebenfalls als widerlegt.
5. Frage
Was heißt das also für die Mieter oder Pächter? Kann die Miete oder Pacht pauschal z.B. um 50% gemindert werden? Diese Frage beantwortet unser Anwalt Mietrecht Augsburg wie folgt:
Antwort:
Das bleibt immer eine Frage des Einzelfalls!
Pauschalen Minderungen auf 50 % hat der BGH eine klare Absage erteilt. Mieter und Pächter haben im Rahmen von pandemiebeschränkenden Maßnahmen, trotz des im Miet- und Pachtrecht bestehenden Grundsatzes des zulasten des Mieters/Pächters bestehenden Verwendungsrisikos, pandemiebedingte wirtschaftliche Nachteile gegenüber dem Vermieter bzw. Verpächter nicht alleine zu tragen.
Denn die wirtschaftlichen Nachteile, die der gewerbliche Mieter oder Pächter aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen erlitten hat, beruhen nicht auf der unternehmerischen Entscheidung. Sie beruhen auch nicht auf enttäuschten Erwartung über den geschäftlichen Betrieb in den Mieträumen. Die wirtschaftlichen Nachteile sind alleine aufgrund unerwarteter staatlicher Eingriffe entstanden, die sich aufgrund gesamt gesellschaftlicher Risiken realisiert haben.
ABER:
Allein der Umstand einer pandemiebedingten Einschränkung des Betriebes des Mieters/ Pächters führt nicht automatisch zu einer Anpassung der Miete oder Pacht für den Zeitraum der Einschränkung. Laut dem Bundesgerichtshof ist in jedem Einzelfall unter Betrachtung sämtlicher Umstände und einer umfassenden Abwägung festzustellen, ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag, damit an der vereinbarten Miete, Pacht zuzumuten ist. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Frage, ob eine Anpassung der Zahlungspflichten erfolgt, als auch zu der Frage, in welcher Höhe eine Anpassung der Zahlungspflichten erfolgt.
6. Frage:
Welche Umstände sind für die Frage, ob und wie hoch eine Anpassung der Miete/Pacht vorgenommen werden kann, heranzuziehen? Diese Frage beantwortet unser Anwalt Mietrecht Augsburg wie folgt:
Antwort:
Im Rahmen der Abgeltung ist zunächst zu beachten, welche Nachteile der Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer erlitten hat. Bei gewerblichen Mietern sind diese Nachteile primär:
a) der konkrete Umsatzrückgang in dem konkreten Mietobjekt;
b) Maßnahmen, die der Mieter ergriffen hat, um die drohende Verluste während den Einschränkungen zu vermindern (Straßenverkauf, Internetgeschäft),
c) finanzielle Vorteile, die dem Mieter pandemiebedingt zufließen, sind zu beachten (Steuervorteile, staatliche Zuschüsse, Ausgleichungen über Betriebsversicherung).
Diese Nachteile, die eine Miet- oder Pachtzahlung in voller Höhe unzumutbar machen sollen, hat der Mieter/Pächter darzulegen und zu beweisen. Hierbei ist es nicht notwendig, dass der Mieter/Pächter nachweist, dass er durch die Errichtung der Miete/Pacht in der wirtschaftlichen Existenz gefährdet wird.
Der Mieter/Pächter hat aber ebenfalls darzulegen, welche zumutbaren Anstrengungen er unternommen hat, um in diesem Mietobjekt drohende Verluste auszugleichen oder abzuwenden. Hat der Mieter tatsächlich mögliche Anstrengungen nicht unternommen, so ist er so zu behandeln, als hätte er die durch derartige Anstrengung möglichen üblichen Einnahmen erzielt. Es sind allerdings auch die Interessen des Vermieters im Rahmen der Abwägung heranzuziehen. Wendet der Vermieter ein, dass die dargestellten Verluste nicht in Folge der Schließungsanordnungen oder Einschränkungen durch die Pandemie bedingt waren, sondern das Geschäft des Mieters schon zuvor „in Schieflage war“ so ist der Vermieter hierfür beweispflichtig.
7. Frage:
Kann die Anpassung der Miete- oder Pachtzahlung auch rückwirkend geltend gemacht werden? Diese Frage beantwortet unser Anwalt Mietrecht Augsburg wie folgt:
Antwort:
Der Bundesgerichtshof geht von einer rückwirkenden Anpassung aus. Der Bundesgerichtshof ist im Zusammenhang mit dieser Entscheidung nicht ausdrücklich auf die Frage eingegangen, ob rückwirkend (hier für März 2020) eine Anpassung der Miete oder Pacht in Betracht kommt, wenn der Mieter erst im April 2020 eine Anpassung gegenüber dem Vermieter geltend macht. Grundsätzlich stellt § 313 BGB ein sogenanntes Gestaltungsrecht dar, welches erst ausgeübt werden muss.
Allerdings ist der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung von dem Umstand ausgegangen, dass die pandemiebedingte Schließung oder Einschränkung durch Behörden zur Störung der großen Geschäftsgrundlage führt und die damit verbundene Risiken regelmäßig keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden können, so „dass der Mieter eine Anpassung der Miete für den Zeitraum der Schließung verlangen kann“ (vergleiche BGH Entscheidung, Seite 27 Rn. 57), wenn die übrigen Voraussetzungen vorliegen. Daraus lässt sich schließen, dass der Mieter/ Pächter also auch eine rückwirkende Pacht- oder Mietanpassung von dem Vermieter oder Verpächter fordern kann.
Ergebnis Zum Thema Mietrecht Augsburg
Der BGH hat sich im Rahmen seiner Entscheidung vertieft mit den Voraussetzungen der Störung einer Geschäftsgrundlage durch die Corona-Pandemie auseinandergesetzt. Hierbei würdigt der Bundesgerichtshof zwar die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie grundsätzlich als derart gewichtig, dass Vertragsanpassungen in Betracht
kommen, verbietet aber jede pauschalisierte Betrachtung. Dadurch wird der teilweise in der Rechtsprechung vertretenen Lösung einer pauschalen Lösung 50/50 eine klare Absage erteilt. Mieter und Pächter, die sich erfolgreich auf eine Anpassung der Miete oder Pacht berufen wollen, trifft eine erhebliche Darlegungs- und Beweislast. Gleichermaßen gilt dies für Vermieter oder Verpächter, die eine unberechtigte oder für sie unzumutbare Anpassung abwehren wollen.
Bei Fragen rund um das Thema Corona und Miete/ Pacht, zur Vertragsgestaltung oder für eine erfolgreiche Geltendmachung oder Abwehr einer Mietanpassung, stehen Ihnen die Anwälte der JuS Rechtsanwälte Schloms & Partner mbB aus Augsburg mit seiner langjährigen Erfahrung und Expertise im Mietrecht als kompetenter Ansprechpartner gerne zur Verfügung.
Die Begriffe Mieter, Pächter, Vermieter und Verpächter sind nur Platzhalter und stehen nachfolgend auch für Mieterinnen, Pächterinnen, Vermieterinnen und Verpächterinnen.
(Besprechung der Rechtsanwaltskanzlei JuS Augsburg zum Thema Mietrecht – BGH-Urteil vom 12. Januar 2022, XII ZR 8/21)
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Autor: Rechtsanwalt Uwe Hartung