Eltern haben als Erben keinen Zugriff auf den Facebook-Account ihrer minderjährigen verstorbenen Tochter.
Am 31.05.2017 hat das Kammergericht Berlin, Az.: 21 U 9/16 zugunsten von Facebook entschieden, dass eine Mutter nach dem Tod ihrer 15-jährigen Tochter keinen Zugang auf den Facebook-Account hat.
Sachverhalt:
Die klagende Mutter machte gegen Facebook einen Anspruch auf Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und den darin enthaltenen Kommunikationsinhalten der 15-jährigen Tochter bei Facebook geltend. Die verstorbene Tochter wurde 2012 an einem Berliner Bahnhof von einem einfahrenden Zug tödlich verletzt. Die klagende Mutter wollte mit dem Zugang zu Facebook die Hintergründe des tragischen Todes ihrer Tochter aufklären.
Entscheidung:
Das Kammergericht legte dar, dass auf Grund der erbrechtlichen Universalsukzession eine „Vererbung des Facebook-Accounts“ durch Eintritt der Mutter in die Rechts- und Pflichtenstellung des zwischen der verstorbenen Tochter und Facebook geschlossenen Vertrages möglich ist. Dementsprechend knüpfte das Kammergericht daran an, dass zwar nicht der „digitale Nachlass“ als dingliches Recht, sondern das zwischen der verstorbenen Tochter und dem Provider vereinbarte schuldrechtliche Accountverhältnis vererblich sein kann. Somit ging dieser auf Erbringung von Onlinediensten gerichtete Vertrag mit Facebook im Todeszeitpunkt der Tochter auf die Mutter als Erbin über und die Mutter trat als Erbin in das Vertragsverhältnis mit Facebook ein.
Allerdings urteilte das Kammergericht auch, dass der Anspruch auf Zugang zu den Accountinhalten der verstorbenen Tochter jedenfalls am durch Art. 10 GG garantierten Fernmelde- bzw. Telekommunikationsgeheimnis scheitert.
Gemäß § 88 Abs. 3 TKG darf Facebook nämlich Kenntnisse vom Inhalt oder der näheren Umstände der Telekommunikation nur dann verschaffen und verwenden, wenn dies für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste einschließlich des Schutzes ihrer technischen Dienste erforderlich ist. Dies lehnte das Gericht mit der Begründung ab, dass Facebook lediglich Telekommunikationsdienste für den persönlichen Accountinhaber zu dessen Lebzeiten angeboten hatte. Deutlich werde das insbesondere aus der lediglich persönlichen Nutzung und den Regelungen des Gedenkstatus der verstorbenen Tochter. Zudem sollen dadurch etwaige Chatpartner der verstorbenen Tochter geschützt werden.
Damit überwiege der Schutz des Fernmeldegeheimnisses gegenüber dem erbrechtlichen Zugangsanspruch der Erben.
Fazit:
Dem ersten Anschein nach ist das Urteil des Kammergerichts zwar durchaus belastend für die Eltern, in der Anwendung telekommunikationsrechtlicher Normen allerdings konsequent. Die klagende Mutter hat gegen das Urteil des Kammergerichts Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt.
Es bleibt abzuwarten, wie der BGH sich hierzu positioniert. Zu beachten ist, dass das Thema „digitaler Nachlass“ insgesamt aufgrund der derzeitigen hierauf nicht abgestimmten gesetzlichen Regelungen ein gravierendes Problem darstellt, welches wohl ohne entsprechende Neureglungen nicht in den Griff zu bekommen ist.
Problematisch wird nämlich auch sein, wie bspw. bei Cloud-Diensten abgelegte Daten zu behandeln sind – denn hierbei kann es sich einerseits um wichtige Unterlagen, bspw. eingescannte Verträge, andererseits aber auch um archivierte E-Mail-Korrespondenz handeln, sodass schwierig zu unterscheiden ist, ob nun dem „einfachen“ Erbrecht oder dem Schutz der Gesprächspartner Vorrang eingeräumt wird.
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Spannungsfeld Erbrecht und digitale Medien: Eltern haben als Erben keinen Zugriff auf den Facebook-Account ihrer minderjährigen verstorbenen Tochter.